Von Klaus Büstrin: Mutiger Weg ins ewige Eis
Weihnachtsmärchen-Saison begann am Hans Otto Theater mit der „Schneekönigin“
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Vor langer Zeit erschuf die Schneekönigin, eine böse Zauberin, einen Spiegel, der alles Schöne und Gute verzerrt und hässlich macht. Eines Tages soll der Teufel auf Anweisung der Königin den Spiegel zerbrechen. Seither flirren auf der ganzen Welt seine Splitter umher. Die Menschen, vor allem Jungen, die von einem Splitter getroffen werden, werden launisch, böse, hartherzig – eben kalt wie Eis. So gerät auch Kai in die Fänge der Schneekönigin, die ihn in ihren Eispalast entführt. Freundin Gerda macht sich auf eine gefährliche Suche nach dem Freund, unterstützt von einigen Verbündeten wie die Rosenfee, der Rabe, das Rentier und die Finnin. Das Gute siegt, aber wie so oft, erst nach bestandenen Abenteuern. Denn Tugenden wie Ausdauer, Mut und Entschlossenheit sollen sich, wie die Moral der Geschichte kund tut, lohnen.
Hans Christian Andersens Kunstmärchen wurde bisher vor allem in der Bühnenfassung des russischen Dichters Jewgenij Schwarz gespielt, einem alt gedienten und erfolgreichen Märchen-Dramatiker. Nun aber hat das Hans Otto Theater für seine Weihnachtsmärchen-Saison sich der Fassung der Regisseurin und Stückeschreiberin Franziska Steiof angenommen. Sie schrieb einen Text mit viel Poesie und Spannung. Doch dazwischen kommt immer wieder moralische Besserwisserei auf. Auch der sich in die Länge ziehende Wortwitz des Teufels, der sich als erfolgreicher Manager der Schneekönigin erweist, ist für Kinder zu viel des Guten. Komponist Thomas Zaufke schuf zwar ein auf den Punkt genaues und stimmiges Musik-Geräusch-Szenario, doch die viel zu viel gesungenen Lieder und Liedchen retardieren oftmals den Fluss der Handlung. Schade auch, dass keines von ihnen im Ohr haften bleibt.
Marita Erxleben hat sich der „Schneekönigin“ am Hans Otto Theater angenommen. Am gestrigen Donnerstag fand die Premiere statt, die von Jung und Alt herzlich gefeiert wurde. Der Regisseurin ist eine Inszenierung gelungen, die fast alle Prämissen erfüllt, eine wunderbar märchenhafte Aufführung genannt zu werden. Diese „Schneekönigin“ sprach alle Sinne der vor allem jungen Premierengäste an – mit allem Drum und Dran, was der Illusionsapparat Theater an fantasievollen Kostümen und dem flexiblen Bühnenbild (Ausstattung: Alexandra Hahn) so leisten kann. Und die Titelgeberin des Stücks, die Schneekönigin?
Stolz und entrückt wirkt sie in ihrer Übergröße, dass Kai in ihren Bann gerät und seine beste Freundin Gerda verlässt, nur um der eisigen Herrscherin nahe zu sein. Vor allem im Schlussbild mit ihrem den Bühnenhorizont beherrschenden weißen Kleid gibt sie ein eindrückliches beängstigendes Bild.
Vor der Pause machten sich aber ein paar Längen bemerkbar. Vielleicht sollte man dem Teufel doch ein wenig früher den Mund stopfen oder der Blumenfrau das fast nicht enden wollende Lied entziehen. Denn der erste Teil will noch nicht so recht funken und somit gibt es Unruhe im Saal. Doch nach der Pause gewinnt das Ganze deutlich an Tempo, allein durch den Spaß, den man an dem aktionsreichen und auch teilweise slapstickhaften Spiel der Räuberfamilie hat.
Für die Darsteller bedeutete die Inszenierung in vielfältige Rollen zu schlüpfen. Jan Dose war Kai und der Räuber, Caroline Lux spielte die Schneekönigin, aber auch die Räubertochter, Rita Feldmeier gab die Großmutter, die Rosenfee oder die Finnin, eine Art Orakel, Michael Schrodt den Teufel und den Raben sowie Lisa Guth die Blumenfrau und das Rentier. Mit großer Lust leben alle Darsteller dabei ihre komödiantischen Seiten aus.
Auch Anna-Katharina Philippi als Gerda, die 90 Minuten lang nicht von der Bühne kommt. Sie verkörpert ein kraftvoll-sympathisches Mädchen, das den komplizierten und abenteuerlichen Weg zur Schneekönigin nicht scheut, mit schöner Natürlichkeit. Die stimmungsvollen musikalischen Illustrationen auf dem Klavier und dem Keyboard weiß Christian Deichstetter treffsicher am Bühnenrand zu spielen. Und wie durch ein schön anzuschauendes Märchen-Bilderbuch führt Marita Erxleben „Die Schneekönigin“, das auf jeder Seite für geheimnisvolle Überraschungen sorgt.
„Die Schneekönigin“ ist wieder am 28. November, 15 Uhr, im Hans Otto Theater, Schiffbauergasse, zu sehen. Weitere Vorstellungen unter www.hansottotheater.de
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