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Haltet bloß die Frau fest! Georgina Leo Melody mit Timo Draheim, Prince Ofori und U-Gin Boateng (v.l.). Für das Stück „home 13“ teilen sich die Tänzer der Oxymoron Dance Company die Bühne mit dem New Ideas & Chamber Orchestra aus Vilnius.

© Andreas Klaer

Kultur: Mutter Erde im Dreieck

Mit „home 13“ kommt am Donnerstag eine Produktion der Oxymoron Dance Company und Musikern aus Vilnius zur Premiere

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Das kleine Orchester ist zur Probe am Freitag noch nicht da, die Tänzer müssen mit der Illusion leben. Nicht komplett ohne Musik, aber sie kommt nur aus einem Lautsprecher, in einer Qualität, die an einen überstrapazierten Kassettenrekorder erinnert. Das verrauschte Klangfeld legt sich in den Probenraum, es zerrt und zerrt an einem, bis man es nicht mehr wahrnimmt.

Die vier Tänzer der Waschhaus Oxymoron Dance Company, mit denen die Potsdamer Choreografin Anja Kozik das Stück „home 13“ probt, nehmen die Klänge auf, vermutlich schon zigmal gehört, immer wieder, bis sie eine Form finden, mit ihnen umzugehen.

„In ein paar Tagen kommen die Musiker aus Litauen dazu, dann proben wir zusammen, mit Livemusik“, sagt Anja Kozik. So soll eine gemeinsame Performance von den vier Tänzern und sechs Musikern entstehen. Ein Stück über die Suche und das Finden – das passenderweise schon mit einer ganz realen Reise zueinander beginnt.

Auf der Bühne gibt es keine feste Sitzordnung für das kleine Orchester, sagt Anja Kozik. Sie will Bewegung, auch von den Musikern. Nur die beiden Cellisten und der Bassist dürfen mit ihren großen Instrumenten auf ihren Plätzen bleiben, die Geiger sollen sich mit den Tänzern bewegen. Sie möchte, dass der Dirigent im Laufe des Abends mehr und mehr Impulse gibt: nicht nur für die Musiker, sondern auch die Tänzer, dass alle am Ende zusammenfinden.

„Es geht um die Frage, wie man trotz der starken Ausprägung zur Individualität in unserer Gesellschaft Zusammenhalt finden kann“, sagt Anja Kozik. Wo findet der Einzelne Halt und Orientierung, auch in Fragen von Moral? Wo findet man ein Zuhause, ein Home? Und gibt es das überhaupt noch – oder ist es ein Phantom, wie die Zahl 13, die in vielen Hotels sogar weggelassen wird? „Da gibt es keine 13. Etage oder kein Zimmer mit dieser Nummer“, sagt die Choreografin. Deshalb entschied sie sich für den Titel „home 13“, weil die Akteure auf der Suche sind. Nach individuellem Glück einerseits – und Geborgenheit in der Gruppe andererseits.

Das Stück beginnt mit den vier Tänzern, die jeder sehr für sich sind. Sie hängen einzeln von einem Trapez. Und langsam beginnen sie, sich zu orientieren und füreinander zu interessieren, aufeinander zuzugehen. Sie lassen Nähe zu und ziehen sich dann wieder in den eigenen Schutzraum zurück, ein stetiges Wechselspiel.

Das einstündige Stück verlangt den professionellen Tänzern, auch wenn nicht immer alle gleichzeitig aktiv sind, viel ab. „Georgina Leo Melody ist wunderbar“ sagt Anja Kozik. Zum ersten Mal ist die Berlinerin als Gast im Ensemble dabei. Prince Ofori, Timo Draheim und U-Gin Boateng tanzen regelmäßig bei Oxymoron, sie kennen sich, und im Zusammenspiel wirken sie manchmal wie alte Sandkastenfreunde. Jeder für sich steht gern mal im Mittelpunkt, ein bisschen Show, Breakdance und Bodypercussion, die Musik kriecht in die Knochen, bis es schmerzt. Dann kommt die Frau. Durch ihren Körper laufen rhythmische Wellen, die das Cäsar-Konterfei auf ihrem T-Shirt Grimassen schneiden lassen.

„Georgina wird in der Performance ein erotisches Kleid tragen“, sagt Anja Kozik und lächelt. Die Verehrung der Frau aus der Zeit, bevor sich die christliche Kirche einmischte, habe ein friedliches Zusammenleben der Menschen ermöglicht. „Das war ja nicht das Schlechteste“, sagt sie und schaut zu, wie die Tänzerin in ihrer anmutigen, doch bestimmten Flüchtigkeit ihren Weg sucht. Zwischen den Männern. Das hat manchmal sogar einen Hauch von Komik, wenn sie zwischen den Männern kraftvoll im Dreieck springt. „Nicht so schnell“, sagt Anja Kozik, und die Männer müssen lächeln. Langsamer ist viel anstrengender.

Anja Kozik möchte den drei Tänzern drei Elemente zuordnen: Feuer, Wind und Wasser. Die Frau ist Mutter Erde. Am Ende sollen Tänzer und Musiker zu einem energiegeladenen Gesamtbild zusammenfinden. Zum zweiten Mal hat Kozik zur Umsetzung ihrer choreografischen Ideen das New Ideas & Chamber Orchestra aus dem litauischen Vilnius eingeladen. Die jungen Musiker spielen in Potsdam Kompositionen von Gediminas Gelgotas, Begründer und Leiter des Ensembles und Vertreter der jungen litauischen Komponistengeneration. Der 27-Jährige fand in den vergangen Jahren zunehmend international Beachtung. In der Zusammensetzung der einzelnen Stücke sei die Musk für „home 13“ eine Uraufführung, so Anja Kozik.

Die Premiere von „home 13“ findet am kommenden Donnerstag um 20 Uhr in der Waschhaus Arena in der Schiffbauergasse statt. Weitere Aufführungen am 26., 27. und 28. September um 20 Uhr und am 29. September um 11 Uhr statt. Der Eintritt kostet 16 Euro

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