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Von besonderer Gangart. Le Carrousel.

© Andreas Klaer

Kultur: Nach Opernart geputzt

Barockes Reitspektakel am Neuen Palais

Stand:

Im August des Jahres 1750 kommt die Lieblingsschwester Friedrichs des Großen, Wilhelmine von Bayreuth, zu Besuch nach Berlin. Natürlich muss der seltene Aufenthalt der Markgräfin gebührend gefeiert werden. Am besten mit einem Fest vor dem Stadtschloss als gesellschaftliches Ereignis mit großer Ausstrahlung. Ein Reiterspektakel ähnlich wie es Jahrzehnte zuvor der französische König Ludwig XIV. in Paris veranstaltete, wäre eine treffliche Würdigung für Wilhelmine. Zumal der preußische König ein inniges Verhältnis zu Pferden hatte. Den preußischen Prinzen war schließlich das Reiten seit ihrer Kindheit wohl vertraut. Es gehörte zum Erziehungsprogramm.

Mit einem Reiterspektakel zu Friedrichs 300. Geburtstag könnte man das Jubiläum festlich begehen, dachten sich die Höfischen Festspiele Potsdam e.V. unter der Leitung des Regisseurs Kaspar von Erffa, die ursprünglich für „Le Carrousel de Sanssouci“ ins Leben gerufen wurden. Nun kann man an dem historischen Spektakel bis zum kommenden Sonntag auf der Mopke, dem Platz zwischen dem Neuen Palais und den Communs, dabei sein. Mit viel Aufwand wurde das Viereck-Freilicht-Theater gebaut, mit aufsteigenden Zuschauertribünen einer Bühne für Sänger und in der Mitte die Vorführ-Fläche für die 20 Pferde und ihren ebenso vielen Reitern von der Fürstlichen Hofreitschule im niedersächsischen Bückeburg.

Vorgestern Abend war die Presse zu einer Voraufführung eingeladen. Das Wetter war jedoch den Proben vor Ort zuvor nicht sehr hold. Und so musste Kaspar von Erffa die „Vorstellung“ als Durchlaufprobe ankündigen. Nicht alles lief wie am Schnürchen. Zu oft „stolperten“ die Darsteller über ihre Auftritte und Texte. Das Ganze wirkte noch sehr oft unorganisiert, unbeholfen. Bewundernswert aber die Reiter und die Pferde der Fürstlichen Hofreitschule.

Gotthold Ephraim Lessing verfasste über das Karussel von 1750 ein Gedicht, in dem es heißt: „Freund, gestern war ich – wo? / Wo alle Menschen waren. / Da sah ich für mein bares Geld / So manchen Prinzen, so manchen Held / Nach Opernart geputzt, als Führer fremder Scharen, / Da sah ich manche flinke Speere / auf mancher zugerittnen Mähre / Durch eben nicht den kleinsten Ring, / der unter tausend Sonnen hing / (O schade, dass es Lampen waren!), / Oft, sag ich, durch den Ring / und öfter noch darneben fahren “ Manches von Lessings Beobachtung trifft auch auf das Spektakel am Neuen Palais zu. Beispielsweise: die Protagonisten der Hofreitschule Bückeburg sind nach „Opernart geputzt“. Die prachtvoll-festlichen Kostüme für die Reiter entwarf Manuela Motter nach historischem Vorbild. Die Originalzeichnungen fand man in Stockholm. Auch die Kleidung der Hofgesellschaft stammen von der Kostümbildnerin.

Die Brüder Friedrichs, August Wilhelm, Heinrich und Ferdinand sowie Markgraf Karl zu Brandenburg-Schwedt als Römer, Karthager, Perser und Griechen, begleitet von Kavalieren, traten auch hier in einem Wettstreit gegeneinander an. Barocke Reitkunst von Feinstem zeigten ihre Darsteller Christin Krischke, die auch für die musikalisch bewegte Choreographie verantwortlich zeichnete, Wolfgang Krischke, Arne Koets sowie Roland Heiß auf den hervorragend geschulten Pferden Ulysses, Raisulih el Hadi, Olymp und Odin. Friedrich forderte von seinen Reitern, dass sie „wendig und geschickt zu Pferd“ sein sollten. Er hätte sich über die Schönheit der barocken Pferderassen wie Berber, Lusitano und Frederiksborger und die Eleganz der Reiter sicherlich ebenso gefreut wie die Zuschauer am Neuen Palais. Die zahlreichen Figuren mit den außergewöhnlichen Gangarten, die Ende des 17. Jahrhunderts entwickelt wurden, ließen das Pferdekarussell bereits in der Probe zum Erlebnis werden. Sicherlich waren da einige Unsicherheiten zu erkunden, doch noch mehr gab es hörbar beim Hofvolk.

Für die Moderation waren der General Hans-Joachim von Zieten (Dominik Stein) und der Freund des Königs, George Lord Marshall Keith (Dietrich Adam), gebeten worden. Sie plauderten auch über eine zarte Liebesbeziehung einer preußischen Hofdame zu einem schottischen Adligen, die auf keinen Erfolg gebaut war. Friedrich legte ihnen zu viele Steine in den Weg. Adam und Stein fehlte es am Mittwochabend an erforderlicher Souveränität. Doch wie gesagt, es war ja eine Durchlaufprobe.

Auf der Bühne nahmen die Potsdamer Turmbläser und das Ensemble Celeste Sirene, ebenfalls in der Landeshauptstadt ansässig, nicht nur in historischen Kostümen, sondern auch mit historischen Instrumenten Platz. Deren festliche Musik war der Auftakt zu den groß angekündigten Auftritten der Schwestern Friedrichs, Wilhelmine (Gabriele Näther) und Amalie ( Friederike Rinne-Wolf) sowie Voltaire (Niels Badenhop), der Hofgesellschaft (Tanzkompanie Marita Erxleben). Nur Friedrich schien nicht anwesend zu sein. Oder doch? Welche Musik man aufführte, war in Archiven nicht zu entdecken.

Dennoch war die gebotene Auswahl mit Werken von Georg Daniel Speer oder Johann Heinrich Schmelzer, die man bei ähnlichen Reiterspektakeln spielte, oder die zweite Suite aus Händels Wassermusik, die Opernarien von Wilhelmine, Carl Heinrich Graun oder das Finale aus Johann Adolph Hasses „Il Trionfo di Clelia“ sehr reizvoll. Obwohl auch hierbei den Mitwirkenden, außer Gabriele Näther und Friederike Rinne-Wolf, noch längst nicht alles zum Besten gelang. Klaus Büstrin

Le Carrousel, heute bis Sonntag, 20 Uhr, am Neuen Palais. Karten ab 54 Euro

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