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Stummfilme für Flüchtlinge im Filmmuseum Potsdam: Nach Worten ringen muss hier keiner

Kino ohne Wortwitz kann trotzdem komisch sein – im Stummfilm. Einen Stummfilm-Nachmittag mit drei Filmen aus den 20er-Jahren hat das Potsdamer Filmmuseum am gestrigen Donnerstag für Flüchtlinge organisiert.

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Kino ohne Wortwitz kann trotzdem komisch sein – im Stummfilm. Einen Stummfilm-Nachmittag mit drei Filmen aus den 20er-Jahren hat das Potsdamer Filmmuseum am gestrigen Donnerstag für Flüchtlinge organisiert. Denn Laurel und Hardy – in Deutschland Dick und Doof – versteht man auch, wenn man die deutsche Sprache noch nicht gut beherrscht: Slapstick zieht immer.

Ganz so wie im normalen Kino läuft es im Filmmuseum dann aber nicht ab. „Wo gibt es denn das Popcorn?“, fragen ein paar Jungs, die es sich schon auf den Kinosesseln gemütlich gemacht haben. „Das hier ist ein Museum“, erklärt ein Mann, vermutlich ein Mitarbeiter des Flüchtlingsverbands. „Da gibt es kein Popcorn.“

Das Museum hat dafür andere Vorteile: Vorab dürfen alle großen und kleinen Besucher einen Blick auf das Innenleben der Welte-Kinoorgel des Filmmuseums werfen. Die Organistin Susanne Schaak bringt Orgelpfeifen und Pauken zum Klingen, während das Anarcho-Duo Dick und Doof versehentlich Filmsets auseinandernimmt und die kleinen Strolche ihren Schabernack treiben. Und weil Viele noch nie eine Kinoorgel gesehen haben, wird Schaak von Neugierigen umringt. Die Besucher stellen sich neben sie, machen Selfies und lassen sich das ungewöhnliche Instrument zeigen. Auch während des Films blitzt es mehrmals im dunklen Kinosaal. Da werden Smartphones gezückt und die Leinwand wird abfotografiert. Stummfilme an sich, sind für die älteren im Publikum aber nichts Neues. Ju Husein Misto kommt aus Syrien und hat dort schon Stummfilme gesehen. „Ich kenne Filme von Charlie Chaplin und Laurel und Hardy“, sagt er. Dass er das letzte Mal im Kino war, ist aber schon lange her. „Das war in Syrien. Ich habe vergessen, was. Wahrscheinlich Action oder eine Romanze“, sagt er. Vor allem die Kinder haben ihren Spaß und lachen ungestüm über Seifenblasen, spuckende Hunde, einen Affen, der einen Kinderwagen durch den Straßenverkehr manövriert und ein Baby, das mit dem Hammer auf Kakerlakenjagd geht. „Der ist aber doof“, sagt ein Mädchen zu ihrem Vater, als Hardy zum vierten Mal die ellenlange Treppe hinabkullert. Nein, das ist Dick, aber Recht hat sie trotzdem. Das Refugees-Welcome-Kino läuft bereits zum zweiten Mal. In der letzten Vorstellung zeigte das Filmmuseum den Kinderfilm „Shaun das Schaf“. „Dieses Mal hatten wir Hilfe vom Filmverband und Leuten von Flüchtlingsverbänden“, sagt Birgit Acar, Programmgestalterin im Filmmuseum. Dass dieses Mal Stummfilme gezeigt werden – die für moderne Sehgewohnheiten ja eher speziell sind –, liegt – wenn man Acar fragt – vor allem daran, dass das Filmmuseum den Flüchtlingen seine Kinoorgel präsentieren möchte. „Die ist ja ein sehr wichtiges Exponat hier im Filmmuseum“, sagt sie. Ihre Antwort überrascht. Man könnte schließlich annehmen, dass Stummfilme vor allem deshalb super funktionieren, weil dafür keine Fremdsprachen-Kenntnisse nötig sind, weil jeder sie verstehen kann und alle dabei Spaß haben können. Das, sagt Acar, sei ebenfalls ein Aspekt. „Viele Besucher kommen ja aus dem Erstaufnahmelager in der Heinrich-Mannen-Allee. Wir gehen davon aus, dass sie erst mal noch nicht so viel Deutsch verstehen. Deshalb sollen es Filme sein, die sich auf der Bildebene schon selber erklären.“ Im nächsten Jahr soll wieder ein Kino-Nachmittag stattfinden, alles kostenlos. Theresa Dagge

Theresa Dagge

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