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Kultur: Nachbarschaftsfest

Die „letzte“ Ausstellung in der Villa Kellermann mit sechs Potsdamer Künstlern

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Die „letzte“ Ausstellung in der Villa Kellermann mit sechs Potsdamer Künstlern Von Matthias Hassenpflug Wohl kein Viertel in der Stadt hat in den Jahren so viel nachbarschaftlichen Korpsgeist entwickelt wie die Berliner Vorstadt. Die Villa Kellermann am Heiligen See war immer so etwas wie das Nachbarschaftszentrum dieser prominenten Vorstadt. Auch wenn der Umzug jetzt überraschend für den Gastronomen Maximilian Dreier um ein Jahr verschoben wurde, schwebte auf der Vernissage „Sechs von hier“ das wehmütige Gefühl mit, eine Ära gehe langsam zu Ende. Die Ära der vornehmen Zurückhaltung und gesellschaftlich distinguierten Salonkultur ließ sich im Gedränge der Gäste aus allen gesellschaftlichen Klassen wohl nicht länger fortsetzen. Auch die Auswahl der sechs Künstler spiegelte diese gefühlte Zäsur wieder. Neben den situierten, in Potsdam eingeführten und sozusagen „bürgerlichen“ Namen eines Christian Heinze und Alfred Schmidt fanden mit Chris Hinze und Olga Maslo auch jüngere und „wildere“ Künstler den Zugang zum Heiligen See. Sie sind, genau wie die ebenfalls ausstellende Birgit Borggrebe und Claudia Hauptmann, alle mit ihren Ateliers und Wohnungen Nachbarn der Villa Kellermann. Borggrebe konnte den spektakulären „gelben Salon“ im Erdgeschoss ausstatten. Ihre großformatigen, in Gruppen gehängten Ölgemälde sind Landschaften, deren Konturen durch Verwischungen unkenntlich gemacht wurden. Hinter dem so entstandenen Schleier aus kalten Grün- und Türkistönen scheinen Signale aus warmen Farben hervor zu flackern, doch die Wirklichkeit bleibt immer unfaßbar. Claudia Hauptmanns nackter Realismus hingegen verschleiert vordergründig nicht. Sie praktiziert eine klassische, abbildende Malerei und bringt durch Allegorien Bedeutung ins Spiel. Ihr Hauptsujet hier ist ihre eigene Person, mal in Blöße dargestellt, mal in übergroßem rot-weiß gestreiften Harlekinkostüm. Ihre Farbigkeit neigt zu Bonbontönen, ein Leuchten und Strahlen wird durch die Beimischung von Weiß unterbunden. Die ungeschminkte Offenheit von Hauptmanns Stil, dieser Wille zu einem allegorisch aufgeladenen Realismus, wirkt in dieser Bestimmtheit fast schon provozierend. Aus den sepia-farbenen Landschaften von Christian Heinze spricht die Lebenserfahrung. Seine erdigen Bilder aus der Toskana bestehen zum geringsten Teil aus Himmel. Ihre Bodenständigkeit zeigen sie durch Zypressen und Büsche, Felder und Häuser die üppig die Fläche füllen. Die Farbe ist die des Herbstes, die Form löst sich auf durch das Alter. Dass zu Kunst auch Mut gehört, zeigen Olga Malso und Chris Hinze, die ihr ruinös-luxuriöses Kalenderprojekt vorstellen. Jeder der beiden hat dazu sechs Siebdrucke hergestellt, die durch eine klare, sehr reduzierte Formensprache überzeugen. Hinze zeigt hier, neben seinen schlanken, archaischen Skulpturen, die vor und im Haus verteilt sind, afrikanisch anmutende Frauenprofile. Maslo reduziert Fragmente von Körperlichkeit. Beide setzen mit gezielten monochromen Farbflächen einen Kontrast zum schwarzen, scherenschnittartigen Grundgefüge. Aus den Kompositionen spricht eine Kraft, die durch eine fast buddhistische Enthaltsamkeit hervorgerufen wird. Das opulente Werk im Format 70 mal 90 cm mit ausgetüfteltem Kalendersystem fand für 650 Euro allerdings unter den Vernissagegästen noch keinen Käufer. Alfred Schmidt, ein weiterer Hausfreund Dreiers, bekannt durch seine eher freundlichen Stadt- und Parkansichten, überraschte im Foyer mit einem ungewohnt düsteren Chronistenblick. Seine Sicht auf Schloss Marquardt und die Villa Schöningen ist trübe. Die vernachlässigte Architektur scheint leise in sich hinein zu schluchzen. Schmidt stellt bei der Darstellung besetzter und bemalter Häuser der Tristesse des Braungraus eine clowneske Buntheit gegenüber und berührt so sogar den Bereich der Sozialkritik. Villa Kellermann, Mangerstraße 34, Die. - Sa. 16 - 20, So. 12 - 20 Uhr

Matthias Hassenpflug

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