Kultur: Nachtigallen hatten Nachsaison Kilian Nauhaus musizierte beim Orgelsommer
Eigentlich ist die musikalische Saison der Nachtigall für dieses Jahr längst vorbei. Doch nicht in der Erlöserkirche.
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Eigentlich ist die musikalische Saison der Nachtigall für dieses Jahr längst vorbei. Doch nicht in der Erlöserkirche. Dort war sie am vergangenen Mittwochabend zu hören, auf der Schuke-Orgel. Der Kantor der Berliner Friedrichstadtkirche, Kilian Nauhaus, hat dies im Rahmen des Internationalen Orgelsommers ermöglicht. Am Anfang und Ende seines Konzerts wurde der wohl bekannteste Singvogel imitiert, mit der um 1460 im Buxheimer Orgelbüchlein, einem Lehrbuch des Kontrapunkts, aufgeschriebenen Nachtigallenmusik sowie mit der von Olivier Messiaen. In den Fünfzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts begann der Franzose den Gesang der Vögel systematisch zu notieren, um daraus das rhythmisch-melodische Material für Kompositionen zu gewinnen. Seither ist der Vogelgesang aus seinen Werken nicht mehr wegzudenken. Klang die Nachtigall aus dem Buxheimer Orgelbuch noch intim und lieblich, so ließ Kilian Nauhaus sie mit geheimnisvollen und klaren Tönen, denen Momente freudiger Ekstase innewohnen, anstimmen. Sie stammen aus einem großen Solo, die in Messaens „Vogelgesängen“ zu finden sind.
Der Berliner Kirchenmusiker scheint im Repertoire der gesamten Musikgeschichte zu Hause zu sein. Er bewies es eindrucksvoll in der Erlöserkirche. Barocke Spielfreude war dann auch im „großen“ Präludium e-Moll des norddeutschen Komponisten Nikolaus Bruhns zu vernehmen, ein affektreiches, zuweilen auch herbes Stück. Bei häufigen Tempo- und Taktwechseln gibt es schnelle, unruhige und dramatische Passagen, dann wieder Ruhiges und Würdevolles, auch Heiteres bricht sich Bahn. „Als ob die Orgel mit ihren unbeschränkten Klangmitteln den Hörern ein musikalisches Schauspiel vorführt, ein magisches Theater, in dem jeden Augenblick neue Personen auftreten, sich über die Bühne bewegen und wieder verschwinden“, schrieb der Musikwissenschaftler Willi Apel über das „opus magnum“ von Nikolaus Bruhns. Durch Kilian Nauhaus‘ sorgfältige Registrierung der neobarocken Schuke-Orgel, verbunden mit einem lebendigen und technisch einwandfreien Spiel, konnte die Musik frei atmen. Auch bei den Choralvariationen „Jesu meine Freude“ von Johann Gottfried Walther, einem Freund und fernen Verwandten Johann Sebastian Bachs. Mit fein verwobenen Stimmen, ausdrucksstarker Gesanglichkeit und farbenreicher Klänge wusste Nauhaus die einzelnen Choralstrophen zu charakterisieren.
Als eine Verbeugung vor Bach gilt das Tryptichon „Prélude, fugue, variation“ in h-Moll, op. 18 des Urvaters der französischen Orgelsinfonik, César Franck. Nauhaus hat durch eine sehr gut durchdachte Registrierung der Orgel viel pastose Wärme verliehen. So konnte das Prélude in der Art eines Wiegenliedes ruhig dahinfließen, ohne von harten Tönen gestört zu werden. Es verstieg sich nicht in rhythmische oder harmonische Kompliziertheiten, sondern betörte durch seine wunderbar weiten Melodiebögen. Der Organist hat es mit einer bezaubernden Schlichtheit vorgetragen, ohne banal zu sein! Eine kurze Überleitung führt in die kunstvoll-konventionelle Fuge, deren Thema aus dem Vorgängersatz gewonnen ist. Mit einer ebenso feinfühligen Interpretation präsentierte der Berliner Kirchenmusiker auch die Orgelsonate f-Moll 0p.65/1 von Felix Mendelssohn Bartholdy. Kilian Nauhaus wusste dem Werk mit mitreißender Intensität zu begegnen. Die Zuhörer spendeten herzlichen Beifall. Klaus Büstrin
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