Kultur: Nähe in der Ferne
Nathalie und Clara arbeiten beim Offenen Kunstverein / Jetzt geben sie auch einen Kurs bei Oxymoron
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Sie vermissen die Sonne und Clara auch das Meer, das ihr baskisches Dorf umspült. „Doch dafür gibt es hier Schnee“, strahlen die beiden. Sie sind gern in Potsdam. „Wir fühlen uns wie in einer Familie“, schwärmen die jungen Spanierinnen. Heimweh, ja natürlich, auch das komme vor. „Aber wenn wir unsere Freunde besuchen wollen, müssen wir ohnehin nach Stuttgart oder Südamerika.“ Heimat sei für sie kein bestimmtes Land, sondern „die Leute, die wir kennenlernen und die uns beeinflussen.“
Und die finden Clara und Nathalie derzeit vor allem im Offenen Kunstverein, in dem sie an der Seite von Ulrike Schlue drei Kinder- und Jugendtheatergruppen mit betreuen. Auch in die 7. Klasse der Coubertin-Oberschule gehen sie und geben dort noch bis September innerhalb des Lehrplans Theaterunterricht. Gleich nach unserem Gespräch machen sie sich erneut auf den Weg, und man spürt, dass beide etwas Bauchgrummeln haben. „Wenn wir mit den Mitgliedern des Kunstvereins probieren, lautet unsere erste Regel: ,Kinder sagt nicht gleich Nein, sondern probiert erst aus, was wir vorschlagen! Dann könnt ihr immer noch ablehnen.’ Was bislang aber nie passierte. Sie sind immer begeistert.“ Bei den Jugendlichen in der Schule sei das schon anders, vor allem bei den Jungs. „Sie sind aggressiver. Es gibt Tage, da geht es gut, manchmal auch nicht. Man weiß nie, was man vorfindet.“
Mit einem ganz entspannten Gefühl bieten die Frauen ab morgigen Freitag einen eigenständigen Kurs für Tanztheater und Improvisation im Rahmen der Oxymoron Dance Company des Waschhauses an. Durch rhythmische Spiele möchten sie die Bewegungs- und Kommunikationsfähigkeit trainieren sowie den Spaß am Bühnenspiel schüren. „Jeder, der Lust hat, kann bei uns mitmachen.“
Auch sie selbst spielten schon als Kind Theater. Nun sind die Frauen auf dem besten Weg, aus dieser Leidenschaft ihren Beruf zu machen. Die 26-jährige Nathalie Fribourg kam vor gut zwei Jahren nach ihrem Chemie-Studium in Madrid und einem Jahr in Schottland nach Deutschland: „Ich jobbte erst als Eisverkäuferin in Berlin, bis ich eine Zusage für ein Freiwilliges Europäisches Jahr im Offenen Kunstverein Potsdam bekam.“ An vielen internationalen Projekten konnte Nathalie bereits mitwirken, baute Brücken zu jungen Leuten aus Bulgarien, Italien, Portugal und natürlich Deutschland und Spanien. „Es gibt hier einfach viel mehr Möglichkeiten für kleine Projekte als in Spanien.“
Clara Pujalte kam vor einem Jahr. „Für mich war es viel einfacher als für Nathalie. Ich fand über das Internet die Stelle als Europäische Freiwillige und bekam telefonisch eine Zusage.“ Clara studierte zuvor Schauspiel und Sozialpädagogik. Auch eine Frauentheatergruppe gründete sie mit. Jetzt möchte die 25-Jährige kulturelle und soziale Arbeit miteinander verbinden. In Potsdam machen die zwei Frauen fast alles gemeinsam. „Es gibt hier schon den Witz, dass wir beide die gleiche Person sind“, sagt Clara. Sie sind in den drei Theatergruppen des Kunstvereins für das Bewegungstraining verantwortlich, danach stehen sie selbst mit auf der Bühne. „Für die Kinder ist es wichtig, jemanden in ihrer Mitte zu haben, der ihnen Vertrauen gibt.“ In dem Stück „Pandorama“ war Nathalie ein Pandabär, Clara die Mikrobakterie. Ein anderes Mal agierten sie als Baum. Kleine Rollen. „Wichtig ist nur, dass wir da sind.“
Derzeit bereiten sie mit „Mad Mix“ ein Stück fast ohne Worte vor, mit dem sie im Juli zum Jugendtheaterfestival nach St. Petersburg reisen wollen. „Das ist schwer für die Kids, die es gewohnt sind, viel mit Sprache zu arbeiten. Jetzt aber sind Körper und Bilder gefragt.“ Die Kinder und Jugendlichen lassen sich gern auf Neues ein. Und auch auf Neue. Wie auf die Spanierinnen. „Sie haben sich daran gewöhnt, dass wir lauter sprechen, wilder gestikulieren und nicht so auf Distanz gehen.“ Jetzt in den Ferien bieten sie im KunstWerk ein Projekt über Federico Garcia Lorca an. „Wir lesen das letzte Stück des 1936 beim Bürgerkrieg getöteten Schriftstellers, ,Die Komödie ohne Titel’. „Das Gelesene wollen wir dann optisch umsetzen. Später kommt eine spanische Theatergruppe dazu und tanzt in unserem Bühnenbild Flamenco“, sagt Clara. Die Aufführung ist am 27. März, dem Welttheatertag. Im März fahren sie zudem mit der Gruppe Tarantula nach Berlin auf ein Festival, um die Nibelungen-Adaption „Das Lindenblatt des Grauens“ vorzustellen, mit der schwarzhaarigen Clara als Mutter Uta.
Beide Frauen können sich bislang keinen Ort vorstellen, an dem sie sesshaft werden. „Es gibt noch so viel zu sehen.“ Nathalie denkt an ein Theaterprojekt in Afrika, Clara will erstmal ihr Deutsch verbessern und als nächstes vielleicht ein Praktikum in der fabrik machen. Die Potsdam-Familie ist schließlich groß.
Heidi Jäger
Der Theaterkurs ist im Studiohaus, Schiffbauergasse, freitags 16 bis 17.30 Uhr (ab 8 Jahre). Anmeldung 0176/67858117.
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