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Geist und Spott. An „Friedrich des Großen Tafelrunde in Sanssouci 1750“, gemalt von Adolf Menzel, nahm auch Voltaire Platz, bevor er 1753 das Weite suchte.

© Repro

Kultur: Nahkampf

Potsdamer Hofkonzerte-Premiere „Duell in Sanssouci: Friedrich II. – Voltaire“

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Sie sitzen hinter den samtrotbetuchten Tischen wie zwei graue Eminenzen. Sakko grau, Hemd grau und auch die Haare, so weit noch vorhanden, silbergrau schimmernd. Dieter Mann und Gunter Schoß, zwei Meister ihres Fachs, treten ein in ein Duell, das mit geschliffener Klinge ein feines Säbelrasseln entfacht. Sie leihen ihre jahrzehntelang erprobten und gefeierten Schauspielstimmen den sich hassliebenden Philosophen Friedrich und Voltaire.

Während Gunter Schoß am Donnerstagabend zur Premiere des musikalisch-theatralischen Diskurses im Schlosstheater sofort mit Biss und Kontur und mit höchst angenehm- warmem Timbre in das Duell Friedrich II. mit Voltaire einsteigt, das anfangs noch ein Liebesbuhlen ist, bleibt Dieter Mann vorerst brav in Deckung. Der pointiert-ketzerische Geist Voltaires bekommt erst allmählich Glanz, sichtlich angestachelt durch seinen „Kontrahenten“. Mehr und mehr weiß auch Sprach-Poet Dieter Mann seine Voltaire-Texte vollmundig und mit Schmackes dem Publikum zu servieren. Schließlich entbrennt an diesem Potsdamer Hofkonzerte-Premierenabend eine Dauersalve an Witz und Esprit, die auf das Friedrich-Jahr 2012 par excellance salbungsvoll einstimmt.

Das von Dramaturg Dieter Hildebrandt aus Texten und Briefen zusammengestellte knapp 90-minütige „Duell in Sanssouci! Friedrich II – Voltaire“ brilliert als kurzweilige, höchst amüsante Farce, die durch alle Höhen und Tiefen einer eher papiernen Freundschaft führt. Friedrich, scharf auf den Grammatiker, Gesellschafter und Weltmann Voltaire, umgarnt den Franzosen jahrelang postalisch mit einem Schwall von Komplimenten, um ihn endlich in Potsdam zum Vertrauten all seiner „Albernheiten“ werden zu lassen. Und Voltaire gibt dem Drängen schließlich nach, erschüttert vom Tod seiner geliebten Emilie. 56-jährig reist er an den Hof des um 18 Jahre jüngeren Friedrich. Vom einstigen Entzücken Voltaires über den Prinzen, der die Menschenwürde höher schätzt als die Königswürde, bleibt in der persönlichen Begegnung wenig übrig. Freiheitlicher Geist und absolutistische Macht passen offensichtlich nicht zusammen.

„Schade, dass ein so schönes Genie einen so abscheulichen Charakter hat“, grollt Friedrich. Und Voltaire, dem zugetragen wird, dass sein angeblicher Freund, der „Philosoph auf dem Thron“, über ihn gesagt haben soll: „Man presst die Orange aus und wirft die Schale weg“, fragt sich ernüchtert: Warum bin ich eigentlich hier? Am liebsten möchte er ein Wörterbuch schreiben über die Falschheit königlicher Worte. Denn im Königsmund heißt „Mein Freund“ eigentlich „Mein Sklave“ und „Mein lieber Freund“ nichts anderes als „Sie sind mir mehr als gleichgültig“, konstatiert Voltaire. „Von den 20 Zähnen, die ich nach Berlin mitgebracht habe, bleiben nur noch sechs“, schreibt der an Skorbut leidende Freigeist an seine Nichte. Doch er wurde, weiß Gott, nicht zahnlos. Herrlich erfrischend, wie die beiden Schauspieler das Ansinnen Voltaires auf eine Kur karikieren, das Friedrich mit den Worten abschmettert: Es reiche ja wohl auch Chinarinde zum Auskurieren.

Der zweijährige Potsdamer Nahkampf, der zum Nervenkrieg wird, erhält in der Produktion von Barbara V. Heidenreich eine zupackende Komprimierung, die viel über Zeitgeist, Friedrichs Verdienste und seine militärischen Ambitionen erzählt. Um die Spannung der Dialoge nicht zu überstrapazieren, kommen Christoph Huntgeburth als konzertierender Flötist Friedrich II. und Petteri Pittko als Hof-Cembalist Friedrich II. immer wieder musikalisch zu Worte. Sie streuen die unaufgeregten Sonaten des Kompositeurs Friedrich wie versöhnende Gesten ein: mit tänzerischer Eleganz, mal beschwingt im Presto, mal etwas schwerblütig im Lento. Das gut besuchte und vielbeklatschte „Duell“ endet im Remis der großen Geister, ungleichen Freunde und selbstverliebten Widersacher.

Wieder am 8. und 9. Dezember, jeweils 19 Uhr, Schlosstheater im Neuen Palais

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