Kultur: Nasser Lappen am Badewannenrand
Zum achten Mal ist der Lyrikkalender des Literatur-Kollegium Brandenburg erschienen
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Schreiben, um weiterzuleben. Schreiben, damit etwas bleibt und später vielleicht einmal helfen kann. So wie die Worte Christa Müller geholfen haben, als sie nach dem Zweiten Weltkrieg im Kindesalter die Literatur für sich entdeckte. Worte, „die mich genährt und am Leben gehalten hatten“, wie Christa Müller im Vorwort zum Lyrikkalender 2008 schreibt.
Ein sehr ambitioniertes Vorwort hat Christa Müller für den mittlerweile achten Lyrikkalender, in dem jeden Monat ein brandenburgischer Dichter zu Wort kommen darf. Die Potsdamer Malerin Renate Smolarek hat die Themen der einzelnen Gedichte in ihren Bildern aufgegriffen. „Nichts geht verloren. Auch nicht, wenn es nie gefunden wird. Es kann ein Bild zerstört, ein Gedanke verschwiegen, ein Lied verboten, ein Land untergegangen sein - trotzdem bleibt es in der Welt“, schreibt Christa Müller. Jedes geschriebene Wort, ob nun vor dreitausend Jahren oder heute, steht miteinander in Verbindung. Christa Müller spricht von einer Spur, von einem Dialog. „Jeder kann ihn führen, der sich darauf einlässt, ob er liest, dichtet, malt oder komponiert.“
Liest man die Gedichte im Lyrikkalender, stellt sich sehr schnell die Frage, ob es ratsam ist, gleich zu veröffentlichen, was jedermann so zu dichten gedenkt. Viel Naturlyrik wird hier geboten, besonders auffällig ist der häufige Bezug zum Wasser. Dazu Liebesgedichte und Zeilen in denen das Elend in der Welt beklagt oder Kindheitserinnerungen heraufbeschworen werden. Gereimt wird hier gern, aber nicht gerade originell. „Schnaps hilft Synapsen zu kappen/und führt mich gelassen zur Wand./Die Welt ist ein nasser Lappen/am Badewannenrand“, schreibt Maik Altenburg in „Januar“. Die einzigen Gedichte, die auch nach mehrmaligem Lesen noch bestehen können, sind Katja Marzahns „Ozeantaumel“ und „Frühe Stunde spät“ von Sonja Schüler.
Herausgeber des Lyrikkalenders in einer Auflage von 700 Exemplaren ist das Literatur-Kollegium Brandenburg. Dem gemeinnützigen Verein gehören „über 100 Schriftsteller, Journalisten, Regisseure, Übersetzer, Bibliothekare und literaturinteressierte Bürger“ an, wie im Kalender zu lesen. Warum bei der Vielzahl von Mitgliedern Jahr für Jahr immer wieder fast dieselben Autoren zu lesen sind, die meist auch leitende Funktionen im Verein übernehmen, verwundert schon. An der Qualität ihrer Gedichte kann es kaum liegen.
Ein ambitioniertes Vorwort, immer abwechslungsreiche, mal kraftvoll farbige, mal zurückhaltende Bilder und Gedichte für jeden Monat, die zu oft im Banalen und Oberflächlichen fischen, das ist der Lyrikkalender in seiner achten Auflage. Ein netter Wandschmuck, der nur blasse Spuren hinterlassen wird. Dirk Becker
Weitere Informationen unter
www.literaturkollegium.org
Dirk Becker
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