Kultur: Nationalheld und blutrünstiges Monster
Tobias Sosinka inszeniert „Die Hermannsschlacht“
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Tobias Sosinka inszeniert „Die Hermannsschlacht“ Von Klaus Büstrin Heinrich von Kleists Drama „Die Hermannsschlacht“ ist die dritte Inszenierung der Saison 2004/05 am Hans Otto Theater. Sieben Stücke werden innerhalb weniger Wochen auf die Bühne gebracht, mehrere Spielstätten dafür ausgewählt. Das Kleist-Stück wird im vertrauten Theaterhaus Am Alten Markt, in der „Blechbüchse“, zu sehen sein. Doch ganz so vertraut wird das Innere des Theaters dem Zuschauer nicht mehr vorkommen. Regisseur Tobias Sosinka ließ den Zuschauerraum völlig leer räumen. Bühnenbildner Kaspar Glarner hat dafür zwei weiträumige Szenenbilder geschaffen, die von einer fahrbaren Zuschauertribüne getrennt werden. So langsam nimmt das Hans Otto Theater im Hinblick auf die Eröffnung des neuen Theaters im Jahre 2006 Abschied von der „Blechbüchse“, die seit Anfang der neunziger Jahre das Bild des Alten Marktes verschandelt. Zwei Spielzeiten noch will man sie hin und wieder mit besonderen Projekten des Theaterlebens ausfüllen. „Die Hermannsschlacht“ gehört nun dazu. Das Stück hatte es in seiner Geschichte nie leicht, auf die Bühne zu kommen. 1808 entstanden, wurde es erst 1860 in einer Bearbeitung in Breslau uraufgeführt. Der Dichter hat es also nie szenisch zu Gesicht bekommen. Die „Hermannsschlacht“ wurde als Fanal gegen Napoleon gedeutet, der, als es aufgeführt werden sollte, gerade als Sieger sich fühlen konnte. Im Dritten Reich schwörte man dann auf „die heimlichste Süße des deutschen Herzens und die unbändige Männlichkeit des deutschen Kampfeswillen“, die man in der Hermannsschlacht“ entdeckte. Nach 1945 wurde sie selten gespielt, eher noch in Ost- als in Westdeutschland. Erst Claus Peymann weckte mit seiner Inszenierung in Bochum 1982 wieder das Interesse an dieses Kleist-Stück. Unlängst hatte es in den Kammerspielen des Deutschen Theaters Berlin (DT) Premiere. Tobias Sosinka würde sich freuen, wenn die DT-Zuschauer in Potsdam die „Hermannsschlacht“ begutachten würden, und umgekehrt die Potsdamer die Berliner. Somit könnte ein Gespräch über sicherlich zwei verschiedene Intpretationen eines Schauspiels in Gang kommen. Der Regisseur will in seiner Inszenierung fragen, wo das antinapoleonische Stück sich mit unseren gegenwärtigen Denkstrukturen trifft. Kleists Zeitgenossen übrigens hätten die Figuren und die Situationen sofort zuordnen können: Germanien und die römischen Besatzer, also Deutschland, besonders Preußen, im Griff Napoleons. Die Germanenfürsten bereiten einen Partisanenkrieg gegen die Eroberer vor. Hermann wird ihr Held. „Er ist zu einer monströsen Gestalt erhoben worden, ein Nationalheld, der zu einem blutrünstigen Monster wird. Jedes Mittel ist ihm recht, um sich von den Römern zu befreien. Terrorismus und Nationalismus werden hier groß geschrieben. Das Stück erzählt aber auch von zwei unterschiedlichen Kulturen, die sich mit Hermanns Denken nicht vereinbaren lassen.“ Das Drama trägt zwar einen gigantischen Titel. Es ist aber, so Tobias Sosinka, ein Kammerspiel. Musik wird in diesem Kleist“schen Stück eine wichtige Rolle spielen. „Wir arbeiten mit den Klängen, die in der Halle vorhanden sind, mit dem Metall, dem Wind ...“ „Die Hermannschlacht“ ist Tobias Sosinkas erste Theaterarbeit in Potsdam. Auch seine Protagonisten Anne Lebinsky und Tobias Rott, die Thusnelda und Hermann spielen, sind erstmals hier zu erleben. Sosinka ist somit in seine Geburtsstadt zurückgekehrt. Als Kind konnte er sie nicht richtig wahrnehmen, denn er zog bald nach der Geburt mit seinen Eltern nach Dessau. Erst in Magdeburg kam er mit dem Theater näher in Berührung. Ab 2001 wartete er mit eigenen Regiearbeiten auf, u.a. zu Puccinis „Der Mantel“ am Staatstheater Oldenburg, wo er auch Uwe Eric Laufenberg kennenlernte, der ihn nun nach Potsdam holte. Premiere: 23. Oktober, 19.30 Uhr, Theaterhaus am Alten Markt.
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