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Neo Rauch im Gespräch mit Barberini-Kurator Michael Philipp im Potsdamer Museum.

© Manfred Thomas

Neo Rauch im Museum Barberini: Für die Magie, wider den Zeigestock

Der bedeutendste Vertreter der „Neuen Leipziger Schule“ sprach über heilige Kunsterlebnisse, Keuschheit und anbetungswürdige surrealistische Künstlerinnen.

Schon im Jahr 2004, sagt Neo Rauch im Laufe dieses Abends einmal, fühlte er sich, als gehörte er zum alten Eisen. Damals war er Mitte vierzig. Wie er sich damals sah, ist Rauch zufolge auf seinem Gemälde „Aufstand“ zu begutachten: Eine aschgraue Gestalt liegt in einem Bett, am Fuße tummeln sich junge Burschen – womöglich die, die er später als „Avantgarde“ bespötteln wird. Mit ausladenden Bewegungen werfen sie farbige Würmer ins Off, „Farbwürste“. Anders der Schlafende. „Der“, sagt Rauch, „hat schon abgeschlossen“.

Sektiererischer Surrealismus

Ins Museum Barberini war Neo Rauch gekommen, um über Surrealismus zu sprechen. Prätext dafür war die aktuelle Schau zum selben Thema („Surrealismus und Magie. Verzauberte Moderne“), sowie ein Gemälde Rauchs, das sich seit 2018 in der Sammlung Hasso Plattners befindet: „Auftrieb“ von 2003. Eine Rauch-Schau wird es wohl dennoch in Potsdam so bald nicht geben: Das Werk fällt in die Ägide des Minsk, und da hat man „in absehbarer Zeit“ nichts vor.

Rauch hat eine Affinität zum Surrealismus, seitdem er als Zwölfjähriger im Regal des Onkels ein Buch darüber entdeckte, das bestätigt er Moderator Michael Philipp gern. Malen wie Dalí, das war der Jugendtraum. Dass er die Bewegung mal als sektiererisch bezeichnet haben soll, weiß Rauch nicht mehr. Vermutet aber, es könnte an der quasireligiösen Verehrung des Gründervaters André Bretons liegen. Mit solchen Leitsternen hadert Rauch. Wie auch mit jenen Surrealisten, die zu den Rätseln den Schlüssel gleich mitliefern. Rauch nennt das den „Zeigestock“, er sieht ihn bei Victor Brauner. Wo der Zeigestock auftaucht, sagt Rauch, „hat der heilige Raum des Kunsterlebnisses“ keinen Platz mehr.

Neo Rauch (r.) im Gespräch mit Barberini-Kurator Michael Philipp.
Neo Rauch (r.) im Gespräch mit Barberini-Kurator Michael Philipp.

© Manfred Thomas

Keine Kunst mit Megafon

Die schlimmste Kunst ist für Rauch die, die ganz genau weiß, was sie will: die aktivistische. In „Die Wurzel“ von 2020 hat er die Kritik daran eingepflegt: als ein junger Mann mit Kapuze und rotem Megafon. 2020 war das Jahr, in dem er mit „Der Anbräuner“ für einen mittleren Skandal in der Kunstwelt sorgte: Nachdem der Kunstkritiker Wolfgang Ulrich dem Leipziger Maler rechtes Gedankengut attestierte, malte Rauch ein kackenden Mann, der mit seinen Exkrementen eine Leinwand bemalt, nebst den Initialen „U.W.“

Davon war im Barberini keine Rede. Dafür von Traum und Alchemie, von „Weibsbildern“, Prüderie („Ich bin irgendwie keusch“) und Kunstkritik der DDR (die für Lacher sorgte: Sie sah im Surrealismus ein „Instrument des Imperialismus“). Auch von der Brillanz einer Dorothea Tanning, der „anbetungswürdigen Schönheit“ in der Kunst einer Leonor Fini. Und am Ende von einer Ornamentik, die Rauch persönlich ganz gelungen fand: seine eigene.

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