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Freier Blick. In dem ehemaligen Verwaltungsgebäude mit vielen Büroräumen haben die Künstler von sans titre eine helles Loft eingerichtet.

© Andreas Klaer

Kultur: Neue Energie

Seit einem Jahr gibt es das Atelierhaus „sans titre“: Im Herbst sind Ausstellungen und Salons geplant

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Von außen wirkt es unscheinbar. Eine verwahrloste Baracke zwischen Getränkehandel und grasbewachsener Baubrache, die Fenster zum Teil mit Graffiti beschmiert, die Räume dahinter wirken verlassen. Jahrelang war hier, in der Französischen Straße, die Verwaltung der Potsdamer Energiewirtschaft zuhause, eine Wärmeaustauschanlage im Kellergeschoss ist letztes Überbleibsel davon. Doch in den beiden Geschossen darüber ist seit gut einem Jahr eine neue Energie am Werk und hat sich manifestiert: ein künstlerischer, kreativer, freier Geist.

Das spürt und sieht man spätestens, wenn man das Haus über die schmale Treppe an der Rückseite betritt. Wo früher enge Büroräume waren, steht man jetzt in einem lichtdurchfluteten Loft. Alte Mauern sind verschwunden, die Decke auf der zweiten Etage bis ins Dach geöffnet, durch die Oberlichter scheinen Sonnenstrahlen in den geweißten Ausstellungsraum, an den Wänden lehnen Bilder, rund um einen neu eingebauten Holzkamin-Ofen sind gemütliche Sitzplätze entstanden.

Es ist ein Atelier- und Kunsthaus, „sans titre“ – „Ohne Titel“ – steht auf dem Namensschild, das man als aufmerksamer Passant von der Straße aus hätte entdecken können. Der Name ist nicht nur eine Reminiszenz an Potsdams berühmteste Touristenattraktion, sondern auch ein Gruß an die unmittelbare Nachbarschaft im Französischen Quartier.

Mit Leben gefüllt und betrieben wird „sans titre“ von sieben Potsdamer Künstlern, die ihr Domizil zuvor in dem von der Existenz bedrohten Atelierhaus in der Puschkinallee hatten. Sie arbeiten jetzt im großen Raum oder in kleinen Einzelateliers und stellen ihre Werke hier auch aus, bevor sie an Galerien oder Käufer gehen. „Das ist aber keine verschlossene Künstlergruppe“, betont Constanze Henning, Sprecherin und gleichzeitig Vorstandsmitglied des erst im Sommer gegründeten Betreibervereins. „Wir wollen eine Plattform für Ideen sein“, sagt sie. Dazu gehört auch die Zusammenarbeit mit dem Vermieter, der Potsdamer Wohnungsgenossenschaft 1956 (PWG), die das Haus bereits für eigene Veranstaltungen nutzte.

Daran war vor gut einem Jahr noch nicht zu denken. Weder Wasser noch Strom gab es in dem Gebäude, als die Künstler im Sommer 2009 die Schlüssel übernahmen, erinnert sich Constanze Henning. Was seitdem mit den Räumen passierte, enstand alles in Eigenleistung. Rund um die Uhr arbeiteten die Künstler vor dem kurzfristig anberaumten Einweihungsfest im September 2009. Im harten Winter wurde es in dem damals noch unbeheizten Gebäude dann wieder wochenlang still.

Bis heute ist „sans titre“ eine Art „work-in-progress“, ein Projekt, das sich in der ihm eigenen Geschwindigkeit entwickelt und mit den Künstlern wächst. Und das jetzt im Herbst bereits einige Früchte trägt. So hat sich hier gerade der Schweizer Bildhauer Gianin Conrad einquartiert, der als Stipendiat des Kantons Graubünden derzeit in Potsdam weilt. Was er in seinem Gastatelier entsteht, will er ab dem 16. Oktober für zwei Wochenenden auch hier zeigen. Bereits ab dem 14. Oktober werden im Kunsthaus die Gewinner des diesjährigen Fotografie- und Literaturpreises der Brandenburger Lottogesellschaft im Atelierhaus präsentiert, am 12. November eröffnet eine Gruppenausstellung zum Thema Todsünden, eine Zusammenarbeit mit der Potsdamer Galeristin Angelika Euchner.

Wenn es draußen dann richtig dunkel und ungemütlich geworden ist, wollen die Künstler ihr Haus für regelmäßige Gesprächsabende am Kamin öffnen. Anlass kann ein Thema sein, das auf den Nägeln brennt, aber auch ein Vortrag eines Gastes – oder einfach ein offener Abend zum geistigen Austausch, so Constanze Henning.

Noch steht das Ganze auf unsicheren Beinen. Eine finanzielle Förderung bekommen die Künstler nicht. Auch der aktuelle Mietvertrag ist befristet. Die Künstler hoffen jedoch auf eine längerfristige Perspektive. Damit die kreativen Energien und Ideen weiter im Fluss bleiben können.Jana Haase

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