FREITAGS: Neue Pflöcke
Keiner wird gern älter. Es sei denn, er ist Teenie und will in die Disco ab 18.
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Keiner wird gern älter. Es sei denn, er ist Teenie und will in die Disco ab 18. Ansonsten freundet man sich nur schwer mit jeder neuen Falte, jedem neuen Altersfleck, der sich ausbreitenden Orangenhaut an. Der äußere Lack geht ab – unaufhaltsam. Und auch in der Gesellschaft gehört man mit 50 schon zum alten Eisen, wird auf der Arbeit – so man welche hat – als „Auslaufmodell“ eher geduldet als nachgefragt. Bewerbungen werden nach Geburtsdatum sortiert. Doch der eigene, innere Tempomat hat ein anderes Limit. Alt scheinen immer nur die anderen. Man selbst fühlt sich noch fit wie ein Turnschuh, läuft Marathon, tanzt Tango, feiert die Feste wie sie fallen, auch wenn durchzechte Nächte nicht mehr ganz so schnell zu verkraften sind. Doch eigentlich scheint gerade jetzt das Leben erst richtig zu pulsieren, die Kinder verlassen das Hotel Mama, die Freizeit bietet neue Räume. Man schaut sich um nach Weiterbildungen, dürstet nach Kulturangeboten. Und mitunter schlägt auch die Liebe ganz neue Pflöcke ein. Andreas Dresens „Wolke 9“ kommt wie gerufen, um eine Lanze fürs Alter zu brechen. Da gibt es eben mehr als „Butterfahrten“, Canasta-Klubs und Volksliederabende. Es gibt Leidenschaft und Sex, vibrierende Seelen unter schlaffer Haut. Die Uhr scheint schneller zu ticken. Doch auch das Bewusstsein reift, die knapper werdende Zeit nicht sinnlos zu verplempern. Denn Altsein ist keine Frage des Alters.
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