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Kultur: Neue Welten aus Licht

Frank Machalowski schafft mit einer ganz speziellen Technik vielschichtige Analogfotografien

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Sie sehen oft aus, als würden sie sich eben aus Zigarettenrauch formen. Frank Machalowskis Fotos haftet etwas Flüchtiges an, etwas Waberndes. Unkonkret sind sie dennoch nie, was an den Motiven liegen mag: Steinerne Manifestationen großer Ideen sind das – oder das, was Menschen so dafür halten. Der Berliner Fernsehturm, die Weltzeituhr, der alte Gasometer in Schöneberg.

Aber Machalowski, der Berliner, fotografiert auch in Potsdam. „Mit der Stadt verbindet mich viel, als Kind war ich fast jedes Wochenende hier – wir hatten damals ein Grundstück am See in Marquardt.“ Derzeit ist seine Serie „multiexpo“ im Treffpunkt Freizeit zu sehen. 24 seiner Bilder hängen dort, alle analog aufgenommen und selbst entwickelt. Sein Labor hat sich der Autodidakt zu Hause eingerichtet. Dort kreiert er diesen Sepia-Ton, der seinen Bildern eigen ist, eine Schattierung irgendwo zwischen Farbe und Schwarz-Weiß.

Genau das verleiht seinen Arbeiten ein fast historisches Gewicht: Die Motive, dieselben, die auch Touristen auf Städtetour ablichten, hebt er so aus der Zeit, entrückt sie durch ein paar handwerkliche Kniffe ihrem banalen Kontext. Der Berliner Fernsehturm etwa steht bei ihm nicht eingebaut und verschandelt von Kaufhaus-Ungetümen und schäbigen Schnellimbissen – sondern fast verloren vor weitem Himmel. Nur ein paar kahle Bäume kratzen links und rechts am Bildrand, ein einzelnes hohes Haus schmiegt sich von unten an den Turm.

Gleich daneben hängt ein Foto des Obelisken am ehemaligen Stadtkanal in Potsdam. Hier weben sich die Zweige der umstehenden Bäume fast spinnennetzartig um ihn, davor türmt sich etwas auf, was wie umgestürzte Grabsteine aussieht. Das ist einer der Widersprüche in Machalowskis Bildern: Die Gebäude und Monumente stehen unerschütterlich wie Buddhas, meist in der Bildmitte. Um sie herum tobt und tost es, das Licht, die Zweige, manchmal auch Menschen. An ihnen lässt sich Machalowskis Technik entschlüsseln. Weil sie so über- und durcheinanderwuseln, ist schnell klar, dass er mit Mehrfachbelichtungen arbeitet.

„Die Idee kam mir, als ich Touristen beobachtet habe, die alle die bekannten Bauwerke fotografierten, jeder von einem andern Standpunkt aus“, sagt Machalowski. Viele unterschiedliche Perspektiven auf dieselben Motive – er versuchte sich vorzustellen, wie es aussähe, wen man sie alle auf einem Bild vereinte. Was herauskommt ist so denkbar weit weg von den Sightseeing-Fotos der Städtereisenden, wie man sich nur vorstellen kann. Machalowski kreiert aus der allen vertrauten Architektur völlig neue Welten – ohne künstlich etwas zu retuschieren.

Um das zu erreichen, sucht er sich vor jedem Bauwerk eine Strecke von 50 bis 100 Metern, die schreitet er dann ab und macht alle paar Meter ein Foto – ohne dabei den Film weiterzuspulen. Am Ende liegen die vielen Schichten übereinander auf demselben Stück Film, was erklärt, warum sie so geisterhaft wirken: als könne man durch die Oberfläche der Realität auf ein Stück tiefere Wahrheit blicken. Damit die Gebäude bei diesem Prozess nicht verschwimmen, visiert er mit dem Sucher immer denselben Punkt an. Menschen finden sich nur auf wenigen seiner Fotos – „dabei habe ich das eigentlich lieber“, sagt er. Wie auf dem Bild der Weltzeituhr am Alexanderplatz. Durch die schiere Masse an Vorbeieilenden fängt es trotz seiner statischen Mitte an zu vibrieren, fast scheint es sich zu bewegen.

Noch stärker wirkt dieser Effekt auf dem Foto des Nauener Tors in Potsdam. Wie im Zentrum eines Orkans steht dieses sonst eher unspektakuläre Tor da, die Seitenflügel wie zum Halt aufgespannt. Alles darum herum aber scheint sich mit rasender Geschwindigkeit im Kreis zu drehen, Radfahrer, Fußgänger flirren wie wild gewordene Elektronen kreuz und quer durchs Bild, ein Bus schießt aus der Mitte des Tores auf den Betrachter zu.

Manchmal finden sich aber keine Menschen, lebendig wirken Machalowskis Bilder aber trotz der vielen toten Bauwerke immer. Die Kuppel der Nikolaikirche etwa spitzt hinter der feingliedrigen Fassade der Fachhochschule hervor, vorne im Bild lässt sich der Schemen eines vorbeifahrenden Autos erkennen. Nur die Schatten zweier übergroßer Straßenlaternen verraten, dass Idee und Wirklichkeit hier eben doch verschmelzen – irgendwo zwischen diesen nie ganz zu dechiffrierenden Schichten aus Licht.

Die Ausstellung „multiexpo“ von Frank Machalowski ist noch bis zum 1. August im Treffpunkt Freizeit, Am Neuen Garten 64, zu sehen. Geöffnet ist immer montags bis freitags von 8 bis 21.30 Uhr, der Eintritt ist frei

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