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Kultur: Neuentdeckungen beim alten Hesse

Forschungen über Architekten fördern Wiederherstellung seiner Potsdamer Bauten

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An der Ecke Schopenhauerstraße und Hegelallee setzt nach aufwändiger, 1,5 Millionen Euro teurer Sanierung der „kleine Hesse“ wieder einen Blickpunkt. Auch dies kann die Forschungsgruppe, die seit Mitte der 1990er Jahre dem Leben und Wirken Ludwig Ferdinand Hesses (1795 - 1876) nachgeht, als ihren Erfolg verbuchen. Durch Andreas Kitschke hatte sie überhaupt erst herausgefunden, dass die kleine Villa von dem Hofarchitekten der Könige Friedrich Wilhelm III., Friedrich Wilhelm IV. und Wilhelm I. stammt, dem Potsdam viele großartige Schöpfungen verdankt.

2007 hatte die Gruppe aus Denkmalpflegern und Kunsthistorikern ihr Forschungsergebnisse in einer im Deutschen Kunstverlag München erschienenen Monographie veröffentlicht. „Dass statt des ursprünglich vorgesehenen Heftes ,Hesse in Potsdam“ solch ein umfassendes Werk erscheinen konnte, haben wir vornehmlich dem Engagement von Luise Lilli Hesse zu verdanken“, sagt Herausgeber Andreas Kitschke. Auch wenn die Monographie, die 186 Bauten (davon 123 in Potsdam), Umbauten, Brunnen, Bänke, Skulpturen, Möbel und Innendekorationen sowie Gemälde und Aquarelle erfasst, einen Höhepunkt und gewissen Abschluss bildet, setzt sich die in München lebende Ururenkelin des Hofarchitekten für eine Fortsetzung der Arbeit ein. „Das Hesse-Team macht weiter“, erklärte sie gegenüber PNN. Dies sieht auch Andreas Kitschke so. Zwar sei es gelungen, den lange unterschätzten Architekten wieder ins Blickfeld zu rücken. Dies zeige sich in Potsdam u. a. in den verstärkten Bemühungen um die Erhaltung und Sanierung seiner Bauten. So nun auch des lange Zeit leer stehenden Hauses Weinmeisterstraße 12: ein groß dimensioniertes Gebäude, an das ein dank reicher Heirat sehr vermögender Hilfsprediger der Friedenskirche einst einen Betsaal anbauen ließ. Hier waren zuvor mehrere Rettungsversuche gescheitert. Als weitere erfreuliche Beispiele nennt Kitschke das Persius-Witwenhaus an der Maulbeerallee, das für das Botanische Institut der Universität hergerichtet wurde, und die Villa Bertinistraße 1 am Jungfernsee, die von Privathand erworben und orginalgerecht saniert worden ist. Der Hochbauingenieur weist darauf hin, dass Hesses Werk fast unübersehbar ist. Von ihm stammen u.a. Weinberg mit Winzerhaus und Triumphtor an der Schopenhauerstraße, der Komplex der Friedenskirche, die Neue Orangerie, das Belvedere auf dem Pfingstberg, eine Fülle von Wohnbauten und die wiederhergestellte Kirche auf dem Neuendorfer Anger. Noch immer sind Neuentdeckungen möglich, wie Kitschke kürzlich die Dorfkirche in Schollene bei Rathenow als Werk Hesses identifizieren konnte.

Ein weiteres Beispiel wird er am 20. Februar in einem Vortrag über den Palast Barberini vorstellen: Dessen Umbau im 19. Jahrhundert, vor allem die Innengestaltung der beiden großen Säle, gehe auf Hesse zurück. Mit Baugeldüberweisungen an den Architekten und Bauzeichnungen seines Sohns Rudolf Hesse hat Andreas Kitschke in Archiven dafür die Beweise gefunden.

Der Vortrag im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte ist gleichzeitig als Auftakt zu einer weiteren Vermittlung des Hesseschen Erbes zu verstehen. „Provinz und Metropole – Metropole und Provinz“, die diesjährige Kampagne des Vereins Kulturland Brandenburg, biete beste Möglichkeiten, dieses Thema in Ausstellungen und Veranstaltungen einzubeziehen, erklärt Luise Lilli Hesse. Die Absprachen dazu seien im Gang.

Was die Forschung betrifft, weist Andreas Kitschke auf die wissenschaftliche Edition des Briefwechsels zwischen Rudolf Virchow und dessen Vater durch den Kieler Historiker Prof. Christian Andree hin. Der später berühmte Arzt, Naturwissenschaftler und Parlamentarier war ein Neffe Hesses und äußert sich unverblümt über das Familienleben und die beruflichen Probleme des Hofarchitekten. Er sei sehr von sich überzeugt gewesen, Ich-bezogen, manchmal jähzornig, aber auch gastfreundlich und in seiner Unterstützung für die Virchow-Familie finanziell großzügig. Neue Forschungsfelder gebe es mehr als genug, äußert Andreas Kitschke. Als Beispiele nennt er die ungezählten Kleinarchitekturen in den Potsdamer Parks und Hesses Sohn Carl, der sich im Gebiet um Breslau als Baumeister von Kirchen, Behördenbauten und Bahnhöfen einen Namen machte. Auch dafür könne Luise Lilli Hesse Material zur Verfügung stellen. Dies möchte Kitschke allerdings als Anregung für andere verstehen, denn das Hesse-Team sollte sich weiter auf Potsdam und Berlin konzentrieren.

Erhart Hohenstein

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