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Von Dirk Becker: Nicht allein nur Zuschauer sein

Die 21. Potsdamer Tanztage machen nicht nur den Tanz in Workshops erlebbar

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Er gibt sich rätselhaft. Dabei manchmal naiv, dann wieder aufbrausend selbstbewusst. Er kennt keine Scheu, legt alles offen und ist dennoch nicht leicht durchschaubar. Oft genug noch fällt es schwer, uns auf ihn einzulassen, weil wir zu sehr verstehen wollen. Doch der zeitgenössische Tanz will beeindrucken und verführen und auf seine ganz eigene Art Geschichten erzählen. Mit Bewegung, Körperbildern, Körpersprache. Dabei will er nicht vordergründig erklären, dieser Tanz will vor allem auch verwirren.

Wenn am 25. Mai mit „May B“ der französischen Choreografin Maguy Marin die 21. Potsdamer Tanztage zum ersten Mal im Nikolaisaal eröffnet werden, ist eines der erfolgreichsten Stücke des zeitgenössischen Tanzes zu erleben. „May B“ ist der Versuch, mit grotesk anmutenden Tänzern, die scheinbar aus einem Traum gefallen sind, die Vielfalt unseres banalen Alltags, unsere verborgensten und intimsten Gesten zu enträtseln. Ein Tanzerlebnis, das wie ein Traum genauso körperlich überwältigend und körperlich rätselhaft wirkt.

Sven Till spricht immer wieder von Körperarbeit, Körperempfinden und Wahrnehmung, wenn er über den zeitgenössischen Tanz redet. Till, Vorstandsmitglied in der „fabrik“, dem Internationalen Zentrum für Tanz- und Bewegungskunst in der Schiffbauergasse und Organisator des Ausnahmefestivals Tanztage, versucht damit zu erklären, was sich nicht erklären lassen will, trotzdem aber unter dem Sichtbaren der Bewegungen Tiefenschichten verbirgt, die es zu entdecken gilt. Aber nicht mit Worten, sondern mit Bewegung selbst. Diese Möglichkeit geben in diesem Jahr auch wieder die zahlreichen Workshops, die von der „fabrik“ als Begleitprogramm der Tanztage angeboten werden. Es ist ein Programm, das wie bei vielen anderen Festivals sonst üblich, nicht allein professionellen Tänzern vorbehalten ist.

„Uns ging es von Anfang an bei der Gestaltung dieser Workshops darum, die Teilnehmer die gleiche Begeisterung, das gleiche Staunen erleben zu lassen, die wir selbst bei solchen Kursen erfahren haben“, sagt Till. Und von Anfang an haben die Organisatoren darauf geachtet, dass bei einem Großteil dieser Workshops der Zusatz „offen für alle Level“ oder „keine Vorkenntnisse erforderlich“ steht.

In diesem Jahr stehen vom 23. Mai bis zum 5. Juni 19 solcher Workshops zur Verfügung, die kürzesten nur an einem Tag, die längsten über fünf Tage. Drei davon sind für Kinder und Jugendliche gedacht. Für 12 bis 20 Teilnehmer sind die Workshops ausgelegt. Doch es ist nicht allein der Tanz, der mit dem eigenen Körper erlebt werden kann. Ganz dem programmatischen Titel der „fabrik“ entsprechend, das sich als „Internationales Zentrum für Tanz- und Bewegungskunst“ versteht, werden hier die unterschiedlichsten Formen der Körperarbeit durchgespielt. Die reichen vom Yoga am Morgen und Abend über die sogenannte Body-Mind-Centering-Methode, die das Bewusstsein für die Wahrnehmung des Körpers in Bewegung in Verbindung mit seiner Umgebung fördert bis hin zum chinesischen Tai-Chi-Dao-Yin. Das umfasst zwölf hochkomplexe, langsam fließende Übungen, die zu einem gesteigerten Körperbewusstsein, tiefer Entspannung und Harmonisierung von Körper und Geist führen sollen. Und bevor man fragen kann, was das denn nun mit den Tanztagen zu tun haben soll, zeigt Sven Till auf einen zweiten Kurs von Chang-Mei Wang, die das Tai-Chi-Dao-Yin unterrichten wird.

Dieser zweite Kurs hat den Titel „Floating Body – Modern Dance“ und in diesem verbindet Chang-Mei Wang Modern-Dance-Techniken von Graham, Limón und Cunningham mit eben diesen Bewegungen des Tai-Chi-Dao-Yin. „Das ist ja auch Anliegen unserer Workshops“, sagt Sven Till. Verbindungen aufzuzeigen, die unterschiedliche Tanzformen mit anderen Bewegungskünsten eingehen, um so Neues zu entdecken und dann weiterzuentwickeln.

Unter dieser Kategorie fällt auch der Workshop „Contango“ des Argentiniers Javier Cura, in dem er den klassischen Tangostil mit Elementen des „ContactTanzes“ wie Kampfkünsten miteinander verknüpft. Fast schon konservativ erscheint dagegen das „Choreografische Atelier für Laien und Profis“ von Odile Seitz und Frédéric de Carlo.

„The Partners“, ein von Odile Seitz und Frédéric de Carlo entwickeltes Tanzduett, das viel mit Berührungen und einfachen Bewegungen arbeitet und in dem Workshop zu einem Gruppenprojekt werden soll. Gleichzeitig ist das wie ein Blick hinter die Kulissen des professionellen zeitgenössischen Tanzes, der sich nicht allein auf das Beobachten des Entstehungsprozesses eines Stückes beschränkt. Jeder ist Teil davon. Wobei es nicht allein auf die Technik ankommt. Es geht um die Bereitschaft, sich auf das einzulassen, was in dem Entstehungsprozess passiert. Um so dem Rätselhaften im zeitgenössischen Tanz vielleicht etwas näher zu kommen.

Informationen zu den Workshops, Kosten und Anmeldung unter www.fabrikpotsdam.de. Anmeldeschluss ist der 13. Mai

Dirk Becker

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