Freitags: Nicht kleingeredet
Kauft nichts in jüdischen Geschäften und Warenhäusern! Geht nicht zu jüdischen Rechtsanwälten!
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Kauft nichts in jüdischen Geschäften und Warenhäusern! Geht nicht zu jüdischen Rechtsanwälten! Meidet jüdische Ärzte! Zeigt den Juden, dass sie nicht ungestraft Deutschland in seiner Ehre herabwürdigen und beschmutzen können!“ Die Zeitungen waren ab 1933 gefüllt von solchen Aufforderungen. Viele Menschen in Deutschland haben sich daran gehalten, manche aus Überzeugung, andere aus Angst vor Repressalien. Natürlich gab es auch einige, die dem antisemitischen Geist der Nationalsozialisten widerstanden. Doch welchen Standpunkt nahm die legendäre Keramikerin Hedwig Bollhagen, kurz HB genannt, damals ein, fragen sich Menschen von heute. Es gab darüber Diskussionen während der Ausstellung im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte zum 100. Geburtstag der Künstlerin. Ein Makel an ihrer Biografie sei, dass sie den Marwitzer Betrieb der jüdischen Keramikerin Margarete Heymann-Loebenstein, die Anfang der dreißiger Jahre auf die Insel Bornholm fliehen musste, unter dem Schätzpreis erwarb. Hedwig Bollhagen habe, so die Meinung einzelner Zeitgenossen, von der Vertreibung Grete Loebensteins und der Arisierung des Betriebes profitiert. Doch HB war wohl eine „unpolitische“ Frau. Die Propagandamaschinerie der Nationalsozialisten tönte 1933 schon sehr laut. Sie hätte sie eigentlich hören müssen. Doch Hedwig Bollhagen sah die große Chance, und mit ihr viele andere, nach den wirtschaftlich traurigen Zeiten der zwanziger Jahre endlich wieder Arbeit und Geld zu haben. Sie war und wollte nie eine Widerstandskämpferin sein, nur Keramikerin. Hedwig Bollhagen war auch in DDR-Zeiten eine angesehene Künstlerin. Obwohl sie keine Freundin des SED-Staates war, blieb sie in dem ostdeutschen Land. Warum sollte sie auch weggehen? Hier konnte sie ihrer Arbeit nachgehen, obwohl man es ihr nicht immer leicht machte. Einige meinen, dass sie sich mit den jeweiligen Regimen arrangiert habe. In einem Interview sagte HB, dass die Kommunisten Dummes gemacht haben. Die Nazis dagegen Entsetzliches. Wenn man gegen sie gearbeitet hätte, wäre man „tot gemacht worden“. Aber nun habe sie nichts gemacht. Und mit solch einem schlechten Gewissen müsse sie weiterleben. Man hat bei der Diskussion um die Geschichte der Werkstätten in Marwitz den Eindruck, dass die künstlerische Leistung von HB nicht kleingeredet werden soll. Es geht um die ganze Wahrheit. Sie sollte in der künftigen Dauerausstellung nicht verschwiegen werden. Dem Ansehen von HB schadet es nicht.
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