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Gefährlich. Peter Wagner und Juliane Niemann spielen Wolf und Schaf.

© Manfred Thomas

Kultur: Nicht nur gut und böse

Das Kinderstück „Ein Schaf fürs Leben“ hat morgen am Hans Otto Theater Premiere

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Sie verstanden sich auf Anhieb. „Eine richtige Harmonieproduktion. Fast theateruntypisch“, sagt Peter Wagner mit seinem spitzbübischen Lächeln. Auf der Bühne soll von dieser Sympathie allerdings nichts zu sehen sein, fast nichts. Schließlich geht es um Wolf und Schaf und da hat die Natur nun mal ihre Weichen gestellt. Daran wird sich auch in der Inszenierung von Kerstin Kusch nichts ändern, die das Kinderstück „Ein Schaf fürs Leben“ inszeniert und morgen am Hans Otto Theater zur Premiere bringt. Doch zu einem blutigen Ende kommt es nicht, schließlich ist das Stück ab sechs Jahren. Aber auch ein Happyend gibt es nicht, selbst wenn sich die beiden durchaus näher kommen.

Kann es so etwas wie eine Freundschaft zwischen zwei so ungleichen Geschöpfen geben? Dieser durchaus weitreichenden Frage spürt das 2004 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnete Buch von Maritgen Matter nach. Und die Theaterfassung folgt ihr auf dem Fuß, erfindet zahlreiche Spielideen dazu, um die Worte bildreich zu untermalen. Da bläst Wolf Trompete, Schaf tanzt und beide zusammen springen Seil. Sie geben sich wie zwei Menschen, die unterschiedlich drauf sind und aufeinanderprallen. Dennoch haben sich Peter Wagner und Juliane Niemann vor den Proben tierisch belesen. Sie nahmen Fabeln von Kleist zur Hand, sahen sich einen Horrorfilm über wilde Schafe an – und werden nicht die gesamten Klischees bedienen. Wolf ist nicht nur böse und hinterhältig, Schaf nicht nur einfältig und das typisches Opfertier. Wolf bekommt auch Skrupel, Schaf wächst über sich hinaus. Juliane Niemann steckt dabei in einem pastellfarbenen drolligen Kostüm mit Rüschchen, und Peter Wagner als graublaues Tier der Nacht zeigt sich verlebt, als hätte er gerade sämtliche Bars durchstreift. Beide reifen in dieser einen Winternacht durch ihre gemeinsamen Erlebnisse. Am Ende sagt Wolf aber dennoch: Schaf, du musst weg von mir, sonst passiert irgendwann etwas.

„Für Kinder ist es ganz gut, dass Gut-Böse-Schubladen nicht immer funktionieren“, meint Peter Wagner. Doch die Besucher, die bereits bei den Proben zuschauten, erfanden ihr eigenes Ende. „Sie wollten nicht, dass Wolf und Schaf getrennte Wege gehen. Sie pochten auf eine Freundschaft“, sagt Juliane Niemann. Als die 36-jährige gebürtige Schwerinerin ihrem vierjährigen Sohn aus dem Buch vorlesen wollte, verweigerte er das Zuhören. Er hatte Angst, dass Wolf Schaf frisst und ließ sich nicht davon abbringen.

Für die jetzt in Berlin-Wannsee lebende Schauspielerin ist diese Kindertheaterproduktion nach langer Abstinenz eine Wiederkehr an die Bühne. Nachdem sie im Schauspielhaus Hannover mehrere Jahre das Repertoire rauf und runter spielte und auch am Schauspielhaus Hamburg gastierte, verabschiedete sie sich 2004 aus dem festen Engagement. „Das Theater hatte 90 Prozent meines Lebens eingenommen, das war mir zu viel. “ Seit der Geburt ihres Sohnes sei die Bühne völlig ins Hintertreffen geraten, sagt die aufgeschlossene Schauspielerin mit dem kurzen frechen Zopf. Dennoch legte sie ihre Leidenschaft nicht ganz ad acta. Im Kulturhaus Babelsberg leitet sie Schauspielkurse: anfangs nur für Kinder, inzwischen auch für Erwachsene. Wenn sie über den Tiefen See schaute, dachte sie aber des öfteren: „Es muss doch toll sein, dort am Theater zu arbeiten und in den Probenpausen am Wasser zu sitzen.“ Das kann sie nun nach ihrem erfolgreichen Vorsprechen für die Gastrolle als Schaf. Sie fühlte sich trotz der langen Pause sofort wieder heimisch. „Theaterspielen ist wie Fahrradfahren. Das verlernt man nicht“, sagt sie lachend und ihr offenes Gesicht wirkt geradezu mädchenhaft.

In Peter Wagner, den sie vor der Probe nur vom Bild im Internet kannte – beide schauten natürlich vorher neugierig ins Netz – fand sie ebenso wie in der Regisseurin Partner, die den Wiedereinstieg leicht machten. „ Unser Humor und unsere Fantasie passen gut zusammen.“

Auch Peter Wagner, der fast Zwei-Meter-Mann, der an der HFF in Potsdam studierte, ist inzwischen freischaffend, nachdem er mit dem Intendantenwechsel 2009 keine Verlängerung mehr am Hans Otto Theater bekam. Über mangelnde Arbeit kann er sich nicht beklagen. Er pendelt zwischen Coburg, Paderborn und seiner Geburtsstadt Dresden, führt inzwischen selbst Regie und fühlt sich ganz schön geschlaucht, auch wenn noch keine Familie auf den 31-Jährigen wartet. Dafür steckt er sein bisschen Freizeit ins „Freiland“-Projekt, das der gelernte Tischler mit Blasen an den Händen mit ausbauen half, nachdem das Spartacus geschlossen und er als DJ heimatlos wurde. Derzeit ist er mit seiner Partyreihe im HOT–„nachtboulevard“ im Exil. Doch wenn „Freiland“ im Mai öffnet, startet auch „Wer hören will, muss fühlen“ neu durch.

Jetzt aber muss er erst einmal als Wolf Zähne zeigen und Schaf zu einer Schlittenfahrt überreden. Dabei könnte es ganz schön gefährlich werden.Heidi Jäger

Premiere morgen, 10 Uhr, Reithalle

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