Kultur: Nicht vor Ehrfurcht erstarrt Weihnachtsoratorium in der Erlöserkirche
Immer dann, wenn Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium angeschlagen wird, ist man angehalten, sich Besinnliches zu gönnen. Es sind diese ersten fünf Paukenschläge, die eine nicht zu überhörende Signalwirkung haben.
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Immer dann, wenn Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium angeschlagen wird, ist man angehalten, sich Besinnliches zu gönnen. Es sind diese ersten fünf Paukenschläge, die eine nicht zu überhörende Signalwirkung haben. Auch am vergangenen Samstag erklangen sie in zwei Konzerten in der Erlöserkirche: weich, nicht aufdringlich und schon gar nicht mahnend. Sie berührten wieder auf subtile Weise und weckten bei den insgesamt 1500 Zuhörern weihnachtliche Gefühle.
Unter der Leitung von Ud Joffe entstand ein weitgehend aufgeräumtes Klangbild. Die Potsdamer Kantorei, das Neue Kammerorchester Potsdam musizierten die ersten drei Gottesdienstkantaten rein, drahtig und durchsichtig. In der Nachmittagsaufführung war die Jugendkantorei (Einstudierung: Sophie Malzo) mit von der Partie. Deren Kinderstimmen wurden mit denen der Erwachsenen in den Chorälen ganz natürlich eingebunden. Im Abendkonzert waren dann die Zuhörer eingeladen, die zumeist bekannten Choralsätze mitzusingen.
Es ist die federnde Leichtigkeit, mit der die wunderbar singende Potsdamer Kantorei das volkstümliche Werk angeht. Die Pracht der Chöre konnte sich im Inneren entfalten. Da brodelte es gewaltig. Keine noch so routinierte Feierlichkeit konnte sich in dieser Interpretation einschleichen. Joffe ließ die Motorik nie von der Leine, so dass man vor Ehrfurcht vor dem großartigen Werk einfach nicht erstarrte. Die Tempi wurden schnell genommen, oftmals zu schnell, so dass bei den Arien und besonders beim Sopran-Bass-Duett „Herr, dein Mitleid, dein Erbarmen“ das eindrückliche Ausformen musikalischer Bögen und Binnenstrukturen ein wenig in den Hintergrund trat.
Des Tenors Peter Diebschlag leicht, schlicht und menschlich geführte Schilderung der Weihnachtsgeschichte griff berührend nach der Seele. Auch in den Koloraturen der Hirtenarie „Frohe Hirten“ fühlte er sich hörbar wohl. Mit großer Geste wartete dagegen der Bariton Sebastian Noack auf. Seine übertriebene Gestaltung fiel aus der Gesamt-Interpretation heraus, die doch eher einen angenehm schnörkellosen Duktus bevorzugte. Dem sicher und instrumental geführten Mezzosopran von Regina Jakobi fehlte es stellenweise an herzerwärmender Durchdringung und dem silbrigen Sopran Sophie Klussmanns an stimmlicher Prägnanz.
Das Neue Kammerorchester Potsdam war auch in dieser Aufführung ein verlässlicher, stringent aufspielender Partner im Musizieren, brachten zudem schöne obligate Soli ein, vor allem in der Tenor-Hirten arie und in der Altarie „Schließe mein Herze“. Die Sinfonia der zweiten Kantate, zwar auch ein wenig schnell musiziert, war dennoch von eindrücklicher Wirkung.
Die Zuhörerschar zeigte sich beeindruckt von der Aufführung und frohlockte am Schluss nach dem Wiederholen des Eingangschores „Jauchzet, frohlocket“ mit tosendem Beifall.
Klaus Büstrin
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