Kultur: Nicht zum Schlafen
Eine „Neue Kammer für die Neuen Kammern“ ab heute auf dem Luisenplatz zu besichtigen
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Erstaunlich, diese Winzigkeit von Schlafzimmer in einem Schloss. Wer mit dem Übernachtungsraum in der ersten Gästewohnung in den Neuen Kammern vorlieb nehmen musste, konnte sich nicht sehr ausbreiten. Ein Alkoven mit Bett musste genügen. Doch immerhin war die Schlafstatt 2,25 Meter lang. Dieses Zimmer findet man nun seit gestern auch auf dem Luisenplatz. Und wieder versetzt die Größe hier in Erstaunen. Aus dem räumlichen Kontext des Gästeschlosses herausgelöst, wirkt der Raum am Brandenburger Tor in seinen Proportionen viel gewaltiger als das Original, obwohl die Schweizer Künstler Francine Eggs und Andreas Bitschin sowie die Architekten Genevieve Bonnard und Denis Woeffray das Original aus den Neuen Kammern im Maßstab 1:1 übertrugen.
Die Installation, aus einem Baugerüst bestehend und mit weißer Netzplane verkleidet, gehört zur neuen Ausstellung „Neue Kunst in den Neuen Kammern“, die gegenwärtig die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg im Gästeschloss Friedrichs des Großen präsentiert – eine Ausstellung, die mit Witz und Hintersinn die historischen Räume mit gegenwärtiger Kunst konfrontiert und ironisch kommentiert.
Ritardando heißt eine der zahlreichen Installationen in den Neuen Kammern. Und ein Ritardando, also eine Verzögerung des Tempos, wird auch hier auf dem Luisenplatz von Besuchern gewünscht. Das Schlafkabinett ist kaum zu übersehen. Nicht durch das Fenster kann man blicken. Man muss, wie im Schloss, durch die Tür gehen. Ein Grundrissplan auf dem Boden dient dazu, sich räumlich zu orientieren. Aber wie bereits gesagt, reich ist das Zimmer nicht ausgestattet. Doch die Decke ist, im Gegensatz zum Original, voller Farbigkeit. Vor allem das kräftige Preußischblau beeindruckt. Es wird durch Diafilme, die digital vergrößert wurden, erzeugt. Das Sonnenlicht, das sich im transparenten Raum wunderbar entfalten kann, soll eine traumhafte Atmosphäre erzeugen. Ein Traum Friedrichs, der die Beziehungen mit seinem Vater beinhaltet, soll die farbige Decke symbolisieren. Die Künstler erzählen, dass der junge König 1745 anlässlich der Siegesfeier zum zweiten Schlesischen Krieg einen Traum hatte. Am Neujahrsmorgen soll er sich mit dem Versprechen, er werde „keine Katze mehr angreifen“ nach Potsdam zurückgezogen haben. Der „schreckliche“ Vater soll ihm erschienen sein und ihm wohlwollend zugenickt haben. Friedrichs Antwort: „Wohl, dann bin ich zufrieden, Euer Beifall gilt mir mehr als der der ganzen Welt.“ Nun ja, diese Erklärung der Schweizer für die Deckeninstallation wirkt doch sehr bemüht.
Die durchsichtige „Neue Kammer“ auf dem Luisenplatz ist, wie die Projektleiterin der Gesamtschau, Silke Hollender, sagte, ein Vorbote für das, was man im Gästehaus zu sehen bekommt. Vielleicht kann ja die Klanginstallation mit einer Komposition des Königs auch zum Ritardando einladen, jedoch nicht zum Schlafen.
Luisenplatz, bis 28. September
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