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Kultur: Nichtsdestokotz

Martin Buchholz gab den Auftakt zur traditionellen Kabarettwoche

Stand:

Martin Buchholz gab den Auftakt zur traditionellen Kabarettwoche Martin Buchholz ist bekannt als Dampfplauderer und wahres Schandmaul des klassischen Solokabaretts. Alles scheint also wie immer: schwarzes Hemd, schwarze Jeans und schwarze Schuhe, als er seinen Platz auf der Bühne des Kabaretts Obelisk erklimmt. Volles Haus zur ersten Vorstellung innerhalb der 25. Kabarettwoche. Wenn es bei der Begrüßung des Publikums mit eher einer sanften Schmähung („Das ist hier ja typisch Osten. Alles sitzt faul rum, tut nichts und der Westen muss arbeiten") noch ein wenig hakelte, die Pointen noch nicht so saßen und auch nicht rückhaltlos vom Publikum belacht wurden, dann war die Betriebstemperatur, unter der die Satire richtig gärt, halt noch nicht erreicht. Buchholz kommt dann besser in Fahrt. So, wie sein Programm sprunghaft assoziative Kreise zieht und am liebsten immer wieder zu seiner Lieblingsfeindin Angela Merkel („Madame Robespière", „schwarze Queen") zurückkehrt, so zieht er seine Bahnen auf der kleinen Bühne und kommt immer wieder an seinen Biertisch zurück. „Kotzalledem", so heißt das Motto des neuen Programms, das sagt Buchholz immer wieder mal, und alle bekommen Saures. Wenn Buchholz nach Abschluss seiner Witzes dann an dem Stehtisch steht und mit der Hand die Augen verdeckt, dann signalisiert diese Geste: Oh Mann, ich halt das nicht aus! Oder: wie furchtbar, diese Politik. Allerdings nutzt der Kabarettist diese Gelegenheit auch, um durch die Finger auf den großen Ordner, der auf dem Tisch liegt, zu schielen. Denn darin steht das nach drei Vorstellungen noch nicht ganz so fest sitzende Programm. Buchholz dazu: „Das Programm kenn“ ich schon, da hab“ ich mir was zu lesen mitgenommen." Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Buchholz ist ein alter Hase der satirischen Unterhaltung, seine Pointen sind solide genug („Der Versuch eine so große Behörde wie die Bundesanstalt für Arbeit von innen zu reformieren, ist so, als wenn man die Leichen auf dem Zentralfriedhof bitten würde, sich selbst um zu betten.") und werden vom Publikum auch immer angenommen. Nur stimmt in Nuancen oft das Timing nicht. Als nach einer wirren Märchenparodie mit Hansel und Gertel auf den Finanzminister und seinen Kanzler, mit der das Publikum ohne Beendigung der Geschichte in die Pause geschickt wird, Buchholz dann beim Abgang strauchelt, kann das als Omen gelten für einen etwas vermasselten zweiten Teil des Abends. Schon die Bemerkungen über Ausländern, mit denen Buchholz einleitet, wirken wenig pointiert oder sogar verunglückt: „Für die zwei Ausländer im Publikum haben wir einen Preis. Zwei Wochen Abenteuerurlaub in der S ächsischen Schweiz.") Das Publikum reagiert hier schon reserviert, weil es zwischen einer gelungenen satirischen und einer verunsichernden rassistischen Bemerkung eben nur eine kleine Nuance ist. Hier wird sie von Buchholz eben nicht optimal getroffen, falsches Timing. Dann ist Buchholz beim Thema EU-Osterweiterung. Seine Weiterführung, 1939 hätten wir Deutschen uns schon einmal sehr für eine Osterweiterung eingesetzt, ist eine schon vielfach kabarettistisch ausgeschlachtete Parallele. Es ist die schwimmende Art, wie Buchholz hier seine Pointe versetzt, die einen Zuhörer zu einem Zwischenruf „Das geht zu weit!" nötigt. Auch die Bloßstellung des Rufers durch Buchholz, der sich nach den Gründen dieser Meinung erkundigte, zeugt nicht von einem souveränen Verbleib in der satirischen Sphäre. Buchholz schaffte die Umkehr durch einige, sich und seinen im Krieg gefallenen Vater betreffende, beinahe selbstzerfleischende Pointen. Den roten Faden hatte er, wie er selbst zugab, daraufhin bis zum Ende allerdings verloren. Matthias Hassenpflug

Matthias Hassenpflug

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