
© Michael Lüder
Ansichten von Venedig in Potsdam: Nie oft genug gesehen
Der Potsdamer Fotograf Michael Lüder zeigt in der neuen Fotokunst-Galerie seine Ansichten von Venedig
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Der große Italien-Reisende – Johann Wolfgang von Goethe – meinte: „Von Venedig ist alles gesagt und gedruckt, was man sagen kann.“ Der Weimarer Dichter war, so ein eigener Eindruck, „müde geworden, nur immer Gemälde zu sehen.“ Doch glücklicherweise stand für Schriftsteller, die nach ihm kamen, fest, dass noch nicht alles über die Lagunenstadt gesagt wurde und dass manches auch wiederholt werden darf. Rose Ausländer sagte beispielsweise: „Venedig meine Stadt / Ich fühle sie von Welle zu Welle / von Brücke zu Brücke“.
Und auch Maler und Fotografen scheinen ihre Sichten auf die zauberische Stadt nach wie vor kundzutun, sich mit ihr auseinanderzusetzen. Michael Lüder ist solch ein begeisteter Venedig-Reisender. Der Potsdamer Fotograf brachte von seinen beiden Erkundungen in die norditalienische Stadt 2010 und 2012 eine Vielzahl von Bildern mit, denn Venedig ist für ihn, wie er selbst sagt, „ein Ort, der die Sinne in Erregung versetzt und kreative Impulse auslösen kann.“
Eine Auswahl seiner Venedig-Arbeiten zeigt er seit vergangenem Samstag in der neuen Galerie Fotokunst-Potsdam. Der seit einigen Jahren international tätige Medienberater Carsten Sterzenbach eröffnete die Galerie erst im Juni 2015 – als eine, die sich ausschießlich der künsterischen Fotografie widmet. „Ich habe Lust, mich für Potsdam zu engagieren. Da es bisher keine Fotogalerie in der Stadt gibt, hatten der Historiker und Fotograf Jürgen Angelow und ich die Idee, hier im Holländischen Viertel eine ins Leben zu rufen“, sagt er. Angelow, der sich vor allem mit der Modefotografie beschäftigt, gab selbst den Ausstellungsstart. Er wird Carsten Sterzenbach als Kurator weiterhin zur Seite stehen. Auf der Website der Galerie ist zu lesen, dass die Galerie „eine langfristige Zusammenarbeit mit ihren Künstlern anstrebt, um deren weitere Etablierung nachhaltig zu unterstützen.“ Eine Erweiterung der Öffnungszeiten – bisher nur freitags oder nach Vereinbarung – wäre jedoch hilfreich, die Ausstellungen verstärkt ins Bewusstsein der Potsdamer und ihren zahlreichen Gästen zu befördern.
Michael Lüder, der zweite Künstler, der nun für zwei Monate bei Fotokunst seine Bilder präsentiert, gehört in Potsdam zu den Bekannten der Fotografen-Szene. Dabei bringt er sich nie persönlich in den Vordergrund, sondern lässt seine feinsinnigen Arbeiten für sich sprechen. Auch hier im Holländischen Viertel. Seine venezianischen Bilder werden durchweg im kleinen Format gezeigt. Große Arbeiten würden die Intimität des Raums wohl eher überfordern. Sie folgen einer Art Stadtbesichtigung, die Lüder an diesem Ort oder an jenem führt, quer über Plätze, durch die lauschigen Gassen, über die romantischen Brücken der Kanäle, er lässt sich vom ruhigen Gleiten der Gondeln zu den geschichtsträchtigen und kostbaren Kirchen, zu den glanzvollen Stadtvillen, deren teilweise morbider Charme für sich einnimmt, sowie den quirligen Cafés inspirieren. Und alles in wechselnder Beleuchtung zu verschiedenen Zeiten. Die Klarheit des Tages, der Architekturen oder Skulpturen bekommen Strukturen, das Spukhafte der Nächte wird durchleuchtet.
„Das heutige Venedig ist ein riesiges Museum, dessen kleine Pforte sich ständig knirschend in den Angeln dreht, und man durchschreitet es mit einer Herde von Mit-Betrachtern“, schrieb Henry James – bereits 1891. Und für Mary McCarthy stand 1968 fest, dass Venedig für viele Besucher nichts weiter als eine große Faltpostkarte sei. Lüders analog und digital bearbeitete Fotografien sind allerdings keine Ansichtskarten. Die Schaulust des Betrachters auf die verschwenderische Schönheit der Stadt mit ihren spürbaren Brüchigkeiten wird durch die Bilder noch einmal angeheizt.
Michael Lüder hat den Fotografien Texte von Goethe, Wilhelm Müller, Friedrich Hölderlin , Günter Kunert, Ingeborg Bachmann oder Else Lasker-Schüler beigestellt. In schwungvoller Schrift haben Katrin Ludwig und Simone Deponte die Texte mit der Hand geschrieben. Sie ergeben einen schönen spannungsvollen Kontrast zu den Fotografien. Doch die meisten der ausdrucksstarken Gedichte und Betrachtungen sind eigenständig, haben mit dem Thema Venedig nichts gemein. Dabei gibt es eine Unmenge von literarischen Ergüssen, die sich Venedig direkt widmen, mit der kann man sich in der Stadt aufhalten, sie geben die Möglichekeit, sich sogar in ihr zu verirren. Aber: Auf alle Fälle wird man mit neuen Erkenntnissen versorgt. Michael Lüders' bildnerischer Stadtrundgang in der Galerie Fotokunst macht jedenfalls Lust auf mehr venezianische Erkundungen. Klaus Büstrin
Die Ausstellung zu Michael Lüder – „Venedig – Bilder und Worte“ – in der Galerie Fotokunst, Hebbelstraße 46, ist bis Anfang Oktober jeweils freitags von 15 bis 18 Uhr sowie nach telefonischer Vereinbarung unter (0151) 19419449 geöffnet
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