
© Andreas Klaer
Von Klaus Büstrin: Nun freut sich der Komponier-Stuhl
Wolfgang Thiel wurde als Direktor der Städtischen Musikschule mit einem Festkonzert verabschiedet
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Der Stuhl war an diesem Abend ein wichtiges Requisit. Da hatte jeder auf der Bühne seinen Stuhl. Auf dem klitzekleinen Podium wimmelte es zwischendurch von Sitzflächen. Jeder der sechs sechsjährigen Darsteller fand eine gute Beziehung zu dem Stuhl während der rhythmisch betonten Performance, die sie vorführten. Sie ließen ihn los, nahmen ihn wieder an. Denn sie wussten, dass der Stuhl sich auf ihren Po freue. Das Kinderkarussell der Fachgruppe Früherziehung der Städtischen Musikschule Potsdam gehörte mit zu den Auftaktgebenden eines Festkonzerts anlässlich des Abschieds von Wolfgang Thiel. Zum Ende des Monats verlässt er seinen Stuhl des Direktors dieser Einrichtung. Er hat sich für den Vorruhestand entschieden. Seinen Platz wird Heike Lupuleak einnehmen, die jahrelang als Stellvertreterin fungierte. 1750 Lernende werden nun unter ihren „Fittichen“ betreut.
Fast zwanzig Jahre war Wolfgang Thiel Direktor der Musikschule. „Und er hat nichts von einem Schulmeister an sich“, sagte Kulturbeigeordnete Iris Jana Magdowski in ihrem Grußwort. Er ist schließlich in erster Linie Komponist. Sein musikalisches Werk umfasst zahlreiche Stücke für Orchester- und Kammermusik und rund fünfzig Filmmusiken. Aber Thiel ist auch mit Leib und Seele Musikpädagoge geworden. Als Honorarprofessor lehrt er an der Musikhochschule „Hanns Eisler“ in Berlin auf dem Gebiet der Filmmusik. Und er hat an „seiner“ Schule in der Jägerstraße stets Schüler in Musiklehre und Komposition unterrichtet. Mit seinem hervorragenden Lehrerkollegium konnte er viele begabte junge Leute fördern, sie zum Wettbewerb „Jugend musiziert“ sowie zum Hochschulstudium führen. So mancher professionelle Musiker, der heute in Orchestern des Landes oder als Musikpädagoge wirkt, hat erste Erfolge an der Potsdamer Einrichtung erleben dürfen. Aber solches Musizieren und Singen ist stets mit schwerer Arbeit verbunden, wie Wolfgang Thiel nach dem Festkonzert sagte. Handwerkliche Fähigkeiten zu erlangen und künstlerische Auseinandersetzungen sich aneignen, sollen auch Freude bereiten. Und all dies kam in der gut zweistündigen Veranstaltung mit den Darbietungen der jungen Künstler zu einer wunderbaren Ausstrahlung.
Da musizierten unter anderen das Ensemble „Alte Musik“ mit Björn Weidemann und Luise Henriette Catenhusen, Blockflöte, Leopold Behrens, Violoncello, sowie Tilman Albrecht, Cembalo, „La Follia“ von Antonio Vivaldi mit erstaunlichem Stilempfinden und weitgehend kultivierter Tongebung. Da erfreute man sich an dem Gesang von Hanna Hinnerichs und Nina Hanneman, die das Duett der Susanna und der Marzelline aus dem ersten Akt der Mozart-Oper „Die Hochzeit des Figaro“ sicher zum Besten gaben. Begleitet wurden sie von Juliane Beschnidt am Klavier. Der junge Pianist Felix Schreyer interpretierte eindringlich den ersten Satz aus Ludwig van Beethovens Klaviersonate op. 13 „Pathetique“. Dem weitgehend heiter gestimmten vierten Satz, ein Allegretto, aus Dmitri Schostakowitschs Klaviertrio Nr. 2 haben sich Annika Pauligk, Violine, Franziska Borleis, Violoncello, und Artem Werwein, Klavier, nicht nur mit Engagement angenommen, sondern auch mit Ausdruckskraft musiziert. Und Moses Vester, er mag zehn Jahre alt sein, gewann die Herzen der Zuhörer mit seinem köstlich gelösten Spiel der jazzigen Stücke von Georges Gershwin und James Brown. Die Gäste, die Lehrer und natürlich Wolfgang Thiel hatten ihre Freude an den gelungenen Darbietungen der Musikschüler.
Dem Direktor war es in seiner Amtszeit wichtig, dass sich die jungen Leute in der Öffentlichkeit vorstellen und die prickelnde Atmosphäre eines Konzertes erleben. Auch das gemeinschaftliche Musizieren war ihm unentbehrlich, sei es im Sinfonieorchester, das, wie die Kulturbeigeordnete bemerkte, manchmal das städtische Orchester ersetzt, oder im Gemischten Chor, in dem Sängerinnen und Sänger verschiedenster Altersgruppen mitwirken. Auch dieses Ensemble war mit von der Partie und überraschte mit stimmungsvollen Chorsätzen, darunter den „Irischen Segenswünschen“.
Als Musikschuldirektor kam Wolfgang Thiel selten zum ausgiebigen Komponieren. Doch wenn, dann hat er aus musikpädagogischen Erwägungen neue Musik geschrieben. Während des Festkonzerts kam auch der Komponist Thiel zu Wort. So spielten Charlotte Behrens und Alina Burci auf dem Klavier vierhändig einen beschwingten Tango. Doch auch zwei Lehrer haben sich einem Werk Thiels angenommen: der Klarinettist Matthias Simm und die Pianistin Sigrid Schmalz wählten das expressive und lyrische „Rush hour“ aus. Diese klitzekleine Auswahl machte neugierig auf Mehr aus der Feder des Komponisten Wolfgang Thiel. Wenn er nun verstärkt den Stuhl am Flügel in seinem Bornimer Haus einnehmen wird, dann wird dieses oder jenes Stück entstehen. Zunächst für die Wiedereinweihung der Sauer-Orgel in der Bornimer Kirche am 4. Juli.
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