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Komm ihr bloß nicht mit billigen Tricks! Teresa Weißbach alias Lola und ihr musikalischer Begleiter John R. Carlson.

© Claudia Charlotte Burchard

Von Andrea Schneider: Nun komm doch schon ins „Crocodil“

Teresa Weißbach und John R. Carlson begeisterten in der Reihe „nachtboulevard“

Stand:

Es ist ja nun kein Geheimnis, dass das 21. Jahrhundert, vielleicht auf Grund mangelnder Kreativität, vergangene Jahrzehnte einfach kopiert; sowohl musikalisch, als auch modisch. Und so feiern nicht nur die 80er, 70er oder 50er Jahre ihr Comeback, sondern auch die wilden 20er. Man war deswegen versucht, ein Gähnen zu unterdrücken, als die Reihe „nachtboulevard“ in der Reithalle sich in diese Schlange der Einfallslosen einzureihen schien und für Mittwochabend die Schauspielerin Theresa Weißbach ankündigte, die vor allem in der Rolle der heimlich verehrten Miriam aus „Sonnenallee“ in der Erinnerung abgespeichert ist und gerade mit ihrem Programm „In der Bar Zum Crocodil“ eine erste Konzertreise absolviert. Die Frage kam auf, ob man tatsächlich seine kostbaren Abendstunden für einen weiteren Liederabend mit Kassenschlagern der 20er und 30er Jahre opfern wollte?

Und wie man das wollte! Weil diese junge Frau eine sensible und intelligente Zeitreise an den Beginn des 20. Jahrhunderts unternahm, die unter anderem eines in den Mittelpunkt stellt: Die Verschiebung eines Rollenbildes und den Wunsch einer Frau, Künstlerin zu sein, frei und nur sich selbst gehörend. Weil sie dabei Humor bewies und zwischen rotzig und sanft, sinnlich und lasziv hin und her lancierte, ohne sich anzubiedern oder zu dick aufzutragen. Und weil sie mit der Kunstfigur Lola die Hauptfigur einer stringent erzählten Geschichte schaffte, die neben der Kunst und der Politik vor allem eines zum Thema hat, die Liebe.

Diese Frau ist von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt, auch wenn sie weiß, dass Liebe manchmal Lüge bedeutet oder das vergebliche Warten.

Warten auf Friedrich, der sich nach Ägypten abgesetzt hat und dessen Briefeschreiben im Laufe der Jahre nicht abreißt. Diese Briefflut wird gewitzt ins Programm eingebaut. Ein Pling auf dem Klavier kündigt das regelmäßig eintreffende Schreiben an, in dem besagter Friedrich in lockendem Ton seine Lola bittet, doch zu ihm zu kommen, um in der „Bar zum Crocodil“ sein Star am Abendhimmel zu werden.

Doch Lola lässt sich nicht becircen von diesem Gigolo, der sie einst wegen einer Anderen mit vollerer Brieftasche als der ihrigen sitzen gelassen hat. Damals war sie noch das arme Mädchen aus Chemnitz, das in der großen Stadt Berlin nach Erfolg und Glimmer suchte. Dezent und vor allem mit Hilfe der Musik und kleinen Requisiten wie Morgenmantel, Sektglas, Blumenstrauß oder Zigarettenspitze baut Theresa Weißbach den Fortgang der Karriere einer Künstlerin in den 20er Jahren in ihre Geschichte ein und das Publikum, das immer wieder herzhaft lachen muss über so viel ungestüme Weiblichkeit, hat Teil an Erfolg und Männergeschichten und an der Entwicklung einer ganz neuen Lola, die selbstbewusst die eigenen Wünsche wahr macht, nicht ohne ab und zu doch innezuhalten und auch nicht, ohne ein wenig härter zu werden gegen die Widrigkeiten des Alltags und der Zeit.

Ständiger Begleiter von Teresa Weißbachs Abend „In der Bar zum Crocodil“ ist übrigens der Pianist und Tänzer John R. Carlson, der der Schauspielerin in nichts nachsteht und mit versoffener Stimme a la Tom Waits musikalischen Beitrag leistete, mit Eleganz und Grazie einen kleinen Solotanzpart übernahm und slapstickhafte Einlagen bot, die herzzerreißend komisch waren und vor allem von seinem verrückten Minenspiel lebten.

Hier haben sich zwei zusammen getan, die geschickte Dramaturgen sind und ihrem Publikum, zu dem sie gern auch immer mal wieder auf Tuchfühlung gehen, etwas mitgeben möchten über ein bahnbrechendes Jahrzehnt und das sich niemals ermüdende Thema des Verständnisses von Mann und Frau.

In der Reihe „nachtboulevard“ ist am heutigen Freitag, 22 Uhr, ist RP Kahl, Regisseur von „Bedways“, zu Gast in der Reithalle in der Schiffbauergasse

Andrea Schneider

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