
© Manfred Thomas
Kultur: Nur die Blutwurst fehlte
„Nosferatu“ mit dem Filmorchester Babelsberg bei den „UFA-Filmnächten“
Stand:
Nach oben hin abgesperrt, nach unten hin abgesperrt, rechts zu und links zu, und alles gut gesichert – so präsentierte sich das Areal der Orangerieterrassen in Sanssouci am Donnerstag zur ersten von drei „UFA-Filmnächten“. Mit Blick bergauf war die altbewährte Bühne der Parkfestspiele für das Babelsberger Filmorchester hingebaut, daneben eine imposante Leinwand quadratischen Formats. Hunderte Sitzplätze, im Hintergrund die mehr oder weniger wohlriechenden Buden zur Erquickung des Volks: Putenpfanne, Kartoffelgratin, Bock- und Knackwurst, Bier und Erdbeerbowle. Blutwurst leider fehlte. Dafür gab es schon mal im vorauseilenden Geschäft den ersten Glühwein Richtung Herbst. Bevor nun, mit zunehmender Dunkelheit, Max Schreck als buckeliger und krummnasiger Graf Orlok alias Nosferatu sein pestilenzhaft-blutsaugerisches Werk erledigen durfte, wurde erst einmal geredet, denn zum heraufziehenden Vampirismus des 20. Jahrhunderts hatte manch einer etwas zu sagen. Etwa rbb-Moderatorin Petra Gute, Potsdams UFA-Chef Wolf Bauer, auch Wissenschaftsministerin Sabine Kunst, die erzählte, dass sie sich bei ihrer ersten Filmlektüre vor dem „Untoten“ Nosferatu ängstlich hinter einem Sessel versteckt habe. Schauspieler Hanns Zischler wagte dann eine persönlich gehaltene Einführung in Murnaus Film, deren das Publikum offenbar nicht fähig ist. Wozu brauchte man so viele Worte, bis endlich das Zelluloid das Blut der vielen Besucher in Wallung versetzte?
Obwohl dieser herrliche und trotzdem weit überschätzte Film im Untertitel als „Symphonie des Grauens“ angekündigt wurde, fehlte auf dem Programmzettel nun wirklich alles, was die Filmmusik von Hans Erdmann, die Arbeit des Babelsberger Filmorchesters oder gar die Nennung des Dirigenten betraf. Aber Helmut Imig kam ja selber zu Wort, versprechend, die beste und „originalste“ aller Versionen intonieren zu wollen, was dann mit verblüffend leichter Hand auch geschah. Erdmanns geniale Filmmusik wirkte in dieser Freiluft-Vorstellung ja auch exzellent. Mal fügt sie sich elegant in die Handlung ein und interpretiert eine Szene, dann geht sie wieder eigener Wege. Brillant! Dem Vortrag des hiesigen Filmorchesters kann man wirklich nur den Großen Chapeau zuwerfen! Und somit scheinen UFAs „Filmnächte“ wohl keine schlechte Erfindung zu sein, denn Open Air hört und sieht es sich tatsächlich besser als mit Dach überm Kopf, mag dieses noch so vornehm sein.
Die Geschichte in dieser „Symphonie des Grauens“ nach der literarischen Vorlage von Bram Stoker geht bekanntlich so: Siebenbürgischer Vampir verliebt sich während eines transeuropäischen Häuserkaufs in Ellen, der Gattin von Makler Hutter, der die Verträge vor Ort perfekt machen soll. Das gräfliche Monster reist völlig spontan zu ihr, nach Wisborg, Horden von Ratten mit sich führend, also Vampirismus und die Pest. Beide Übel können nur besiegt werden, wenn eine Frau ihn durch ihre freiwillige Blutspende „den Hahnenschrey vergessen“ macht. So geschieht es: Ellen stirbt, aber das Gemeinwesen ist gerettet! Schade, dass bei all den klugen „Vorreden“ ausgerechnet ihr „Menschenopfer“, das Wichtigste von allem, kaum Würdigung fand! Aber der Wikipedia-Klick zu „Nosferatu“ zeigt ja die heutige Denkart hinreichend an: Ein einziger Text des Grauens – zum Totlachen also!
Nach der Veranstaltung konnte man gehen oder auch bleiben. Es gab ja auch noch die VIP-Lounge ein paar Treppchen höher. Der Weg zum großen Parkplatz hinauf durch den Nordischen Garten war dann doch ziemlich dunkel. Wer weiß, welch grausig-grimmige Vampire da unbewacht hausen.
Am heutigen Samstag, 19.30 Uhr, „Der letzte Mann“ von 1924 mit dem Filmorchester Babelsberg
Gerold Paul
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: