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Kultur: Nur wer sich ändert, bleibt sich treu

Ulrich Baehr im Kunsthaus Potsdam: Kiefern in märkischen Landschaften

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Wer Ulrich Baehr kennt, wird sich beim Anblick seiner Werkgruppe „Märkische Landschaft“ gewundert haben. Selten sah man vorher Natur auf seinen Bildern, selten auch war er so wenig politisch in seiner Arbeit.

Da waren die Geschichtsbilder, schwere Reflektionen der Nazi-Vergangenheit in den 60er Jahren, da waren die Deutschen Torsi aus den 70er Jahren und da gab es die Stadtlandschaften, insbesondere aus seinem Zyklus New York, die die Verlassenheit der Moderne thematisierten. Oder aber auch Bilder wie „der aufrechte Gang“ von 1985, wo jemand, der aussieht wie Ernst Bloch, vor einer windig-winkligen Treppe doziert, während hinter ihm ein militärisch Maskierter die Stufen hinaufsteigt, der ein Terrorist sein könnte ebenso wie jemand von der GSG 9. Oder aber in seinem Zyklus „das 20. Jahrhundert“, in dem er mehr als symbolisch Schiffsuntergänge malte, die wie besessen die Gräueltaten und Kriege des vergangenen Jahrhunderts symbolisierten.

Meist also war Ulrich Baehr, 1938 in Thüringen geboren, Mitbegründer der Galerie Großgörschen 35 Berlin, mehrmals Professor an westdeutschen Universitäten, ein im engeren Sinne politisch zu verstehender Maler. Aber jetzt präsentiert er das: Märkische Landschaft. Bäume, fast nur Bäume, die hiesige Kiefer in geordneter Reihung, die Birken an der Allee, den See im fast lieblich gelblichen Licht.

Keine Menschen, nirgends, nur auf wenigen der insgesamt fünfzehn meist großformatigen Arbeiten, die zurzeit im Kunsthaus gezeigt werden, sind direkte Zeugen menschlichen Lebens zu sehen, so ein Lastwagen im Wald oder ein Plattenbau, gesehen durch ein paar tiefhängende Zweige, Zeugnis abhanden gekommenen ästhetischen Gefühls einer ganzen Generation.

Aber was ist mit Ulrich Baehr los? Hat er etwa angesichts seines achten Lebensjahrzehnts das Interesse an einer Symbiose von Kunst und politischem Statement verloren? Zieht er sich nun zurück in die märkische Idylle , betrachtet er die Seen (den Stechlinsee, den Roofensee), findet er Gefallen an harmlosen Wäldchen und freundlichen Perspektiven? Teilweise vielleicht: Wenn der Stechlinsee in gelber Farbe schimmert, die Bäume davor grau und trutzig stehen wie die Greise, die Sonne beim Untergehen (oder ist es gar ihr Aufgang?) beobachten, dann hat das bestimmt etwas von weltabgewandter Idylle.

Doch wenn man eine Weile davor steht, verwandeln sich die Baumskelette in Menschen, die den See mit ihrer militärischen Ordnung bewachen und – aha – den Blick ordnen, den Blick verweigern, vor allem die Entspannung verweigern. Sie stehen da wie Schutzmänner, die der Schönheit der hiesigen Natur nicht trauen. Ein „Wald“ genanntes Bild traut sich ganz nah an die Baumstämme heran. Wie durch ein Zoom wird hier auf die geraden Stämmchen, die in ihrer Mickrigkeit eigentlich Mitleid hervorrufen müssen, geschaut – und siehe da, der Wald wird undurchdringlich. Gerade stehen die dünnen Bäumchen, manche strecken in ihrer Hilflosigkeit noch ein paar stachelige Ästchen auf die Seiten, aber sie können noch so bewehrt tun, sie sind begrenzt durch gleichartige, freilich in unterschiedlichen Farben gemalte (manche blau, manche rotbraun, einige fast lila) Kameraden, die ihnen wie dem Betrachter den Blick auf einen Horizont, der bei den Seenlandschaften immerhin noch vorhanden ist, verwehren.

So wandelt sich also die märkische Idylle eines Ulrich Baehr unversehens, weil man ihn gerne symbolisch deuten möchte, in eine Kritik der militärisch angeordneten Natur, er zeigt die Konsequenzen auf, ohne seine Objekte zu verraten. Das hat was. Auch was Schönes.

Bis 30. März, Kunsthaus Potsdam, Ulanenweg Mi bis-Fr 15 bis 18 Uhr, Sa und So 12 bis 17 Uhr

Lore Bardens

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