Kultur: Offen für das Selbst und für die Welt
Heinrich-Heine- Ausstellung in der Stadt- und Landesbibliothek eröffnet
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Am 17. Februar, dem 150. Todestag Heinrich Heines, wurde in der Stadt- und Landesbibliothek eine Tafelausstellung mit Lesung und Schumann-Liedern feierlich eröffnet. Die Ausstellung stammt aus Düsseldorf, der Geburtsstadt des Dichters, wo die Heine-Gesellschaft und das Heine-Institut sie zum 200. Geburtstag, der bereits 1997 fällig war, entwickelten.
Am Beispiel des Mozartjahres sieht man gerade, wie das exzessive Abfeiern von Geburts- oder Todestagsjubiläen leicht zu einer Überforderung selbst der heißesten Verehrer führen kann. Matt wird einem regelrecht, wenn man erfährt, dass dieses Jahr auch noch der 150. Todestag Robert Schumanns zu feiern ist. Mozart, Heine, Schumann und Fußballweltmeisterschaft. Eine „Mozartkugel“ könnte da von ganz pfiffigen Vermarktern völlig neu interpretiert werden.
Mit Heinrich Heine lässt sich so eine Vereinnahmung längst nicht so gut vorstellen. Denn Heine und die Deutschen, so eine zentrale Lehre aus der Ausstellung in der Stadt- und Landesbibliothek, das ist eine bis in die Gegenwart reichende, schwierige Beziehung.
Heines Aufenthalt in Potsdam für einige Monate im Jahre 1829 wird einen gewissen Anteil haben an seiner Abneigung gegenüber allem Preußisch-Nationalen. Der Staat reagierte auf seinen Kritiker überreizt. Er wurde zeitweise steckbrieflich gesucht und flüchtete ins Pariser Exil. Unter dem Nationalsozialismus wurden seine Werke mit denen vieler anderer Juden aus den Bibliotheken verbannt. Erst 1981 konnte sich die Geburtsstadt des weltberühmten Dichters zur Errichtung eines Denkmals durchringen. Noch später nahm die dortige Universität seinen Namen an.
Der historische Zufall, dass das damalige Domizil des Loreley-Dichters in der heutigen Friedrich-Ebert-Straße Nr. 121 lag, sozusagen schräg gegenüber der heutigen Stadtbibliothek, lieferte für den Festakt einen wohltuend faktischen Anlass. Potsdam darf Heine ruhig ein wenig feiern.
Klaus Büstrin, der zu den profiliertesten Vorlesern der Stadt gehört und eine auf ihn eingeschworene Hörerschaft „mitbrachte“, verzichtete bei seiner Textauswahl ganz bewusst darauf, Heines politische Seite zu sehr in den Vordergrund zu stellen. Zu einseitig wurden in der DDR-Literaturauslegung die scharfe Abrechnung „Deutschland, ein Wintermärchen“ oder Gedichte wie „Die Weber“ ausgelegt.
Mit sichtbarem Genuss an der Scharfzüngigkeit und am Witz des Dichters überzeugte Klaus Büstrin schnell sein Publikum, das an vielen Stellen ein Schmunzeln sichtbar werden ließ. Heine mag eine Weile schon tot sein, seine Beobachtungsgabe, seine Formulierungskunst und die Keckheit, ja seine vorwitzige Lust, die Dinge unbedingt ins Ironische zu ziehen, reihen ihn in die Moderne ein. Ein immer mehrdeutiger Stilist, der in der „Harzreise“ die Miefigkeit seiner Studienstadt Göttingen auf eine Art abkanzelte, dass sie heute noch mit Vergnügen zu genießen ist. Die Stadt, so Heine am Ausgangspunkt seiner Reise zum Brocken, gefalle einem am besten, betrachte man sie „mit dem Rücken“. Studenten, Professoren, Philister und Vieh wären die vier Stände dort, der Viehstand wäre jedoch der bedeutendste.
Heinrich Heine gilt mit über 10 000 Beispielen, so lehrt die gut strukturierte, bildreiche Schau, als einer der meistvertonten Autoren weltweit. Auch Co-Jubilar Schumann schrieb Kunstlieder zu Heines romantischen Liebesgedichten. Und Schumanns Lieder, mit Texten von Heine, Goethe und Mörike umrahmten den Festabend.
Die Kunstlieder, wie zu Heines „Lotosblume“ oder „Du bist wie ein Blume“, wurden von den sehr jungen Solosängern der Städtischen Musikschule Potsdam (Gesangsklassen Nelly Ahlendorf und Heidemarie Birke) in würdevoller Bescheidenheit vorgetragen. So, dass der schlichten Grazie der Gesänge, einem perfekten Verschmelzen zwischen Lied- und Textzeile zu purer tonaler Innerlichkeit, aller Raum zur Entfaltung gegeben wurde. Es entstand an diesem Abend mit Heine und Schumann etwas, das im positivsten Sinne „deutsch“ war. Klar, fein, schön und erhaben, ohne sich aufzuspielen. Offen für das Selbst, und daher offen für die Welt. Ein Deutschsein, für das Heine, der Schwärmer, kämpferische Journalist, und vollendete Poet – der Europäer – gelebt hat.
Matthias Hassenpflug
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