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Kultur: Ohne Getöse

Oratorienchor sang Bachs Weihnachtsoratorium

Stand:

Es gibt Werke in der klassischen Musik, die im Radio oder in den Konzertsälen rauf und runter gespielt werden, die man daher oft nicht mehr mit Genuss hören kann, weil man sie sich schlicht und einfach tot gehört hat. Auch das Weihnachtsoratorium gehört zweifellos dazu.

Dem zum Trotze waren wir am Mittwochabend in der Friedenskirche Sanssouci, in der der Oratorienchor Potsdam gemeinsam mit der Kammerakademie Potsdam und Solisten unter der Leitung von Matthias Jacob die Kantaten 1 bis 3 des Bach’schen Weihnachtsoratoriums zur Aufführung brachte. Die tief berührenden musikalischen und textlichen Bilder von Jubel, Zuversicht und Geborgenheit kamen wunderbar zur Geltung. Denn Matthias Jacob bot eine lichte, bewegte und gleichzeitig bewegende Interpretation. Dabei wurde nichts effektvoll ausstaffiert, nichts in überzogener Weise auf die klangliche Oberfläche geholt, kein übersteuertes Jubelgetöse und keine gemütliche Biederkeit.

Der Oratorienchor überzeugte durch seine klare Artikulation, sprachliche Ausdruckskraft und sorgfältige Phrasierung. Der große musikalische Bogen blieb auch in technisch anspruchsvollen Passagen erhalten. Bemerkenswert war auch das ausgewogene Verhältnis der einzelnen Stimmgruppen zueinander, wodurch ein homogener Gesamtklang entstand. Die Choräle wurden mit einer dem liedhaften Charakter angemessenen Schlichtheit, oftmals im wunderbaren Piano, musiziert. Man spürte wieder einmal deren harmonischen Raffinesse, die diese meisterhaften Sätze weit über den Rang gewöhnlicher Kirchenlieder herausheben.

Die konzentriert und mit großer Motivation agierende Kammerakademie Potsdam mit ihren Solisten bot ebenfalls eine wunderbare Leistung. Prägnant, zupackend und mit Transparenz wurde musiziert. Die Sinfonia zu Beginn der zweiten Kantate gelang dem Kammerorchester durch eine besonders sensible Darbietung. Das, was diese Hirtenmusik auslöst, dieses Gefühl der Verheißung von Frieden, gibt es wohl nirgendwo anders, es ist einzigartig. In der Friedenskirche war es gegeben.

Auch das engagierte Solistenquartett konnte für sich einnehmen: Albrecht Sack entfaltete seinen hellen tenoralen Glanz als Erzähler und in der Arie „Frohe Hirten eilt, ach eilet“, Susanne Krumbiegel gab die Alt-Arien wieder mit warmer und bewegender Ausdruckskraft, Katherina Müller konnte mit ihrem schön und klar artikulierenden Sopran ebenfalls überzeugen. Ganz und gar auf den Textgehalt orientierte sich auch der nobel singende Bariton Thomas Wittig. Das ist gut so, doch sollte er auf allzu opernhafte Überzeichnung verzichten.

Insgesamt ein delikat-verinnerlichter Bach als Erinnerung an ein Glück jenseits aller Wirtschaftsdepressionen. Klaus Büstrin

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