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Kultur: Ohne Smörrebröd

Abwechslungsreiche „Lange Nacht der skandinavischen Musik“ im Nikolaisaal

Stand:

„Flammende Winterhimmel – sommernächtliches Sonnenmirakel! Geh’ gegen den Wind. Erklimme den Berg. Schau gen Norden. Öfter.“ Könnte man der Aufforderung von Rolf Jacobsen widerstehen, so den europäischen Norden zu entdecken und zu begreifen?! Ein Fall für nordische Kombinationen, „den Laut des Lebens im rauschenden Strom, im pfeifenden Wind“ zu vernehmen. „Die lange Nacht der skandinavischen Musik“ suchte am Samstag sechs sehr kurzweilige Stunden lang im Nikolaisaal das Flair des hohen Nordens zu ergründen. Dabei entspricht es historischen und sprachlichen Gegebenheiten, dass nur die „Kernlande“ Dänemark, Schweden und Norwegen in den fokussierenden Genuss der liebevollen, stets ein wenig spöttischen Betrachtungen und Beobachtungen rücken.

Von musikalischer Häppchenkost zwischen Barock und Moderne an diversen Orten, wahrlich magischen Verzauberungen über Hauserkundigungen bis zur Talkshow und der Schlacht am kalten Schlemmerbüffet reichen die Offerten für die verschiedenen Sinne. Aus logistischen Gründen bleibt die Zahl der Besucher auf 360 Personen beschränkt, denn mehr passen beim besten Willen nicht in das untere und obere Foyer, wo vorwiegend die Vertreter der Nordisch Kombinierten von ihren unterschiedlichsten Meriten künden. Doch zunächst geht es in den großen Saal. Bei dessen Betreten wird das Publikum per blauem, grünem oder rotem „Laufzettel“ in gleichgroße Teams für die spätere „Kammerstaffel“ eingeteilt. Einträchtig beieinander sitzend, erklingen wie aus weiter Ferne Folkloreweisen, die zwei aufeinander zugehende Geiger nach Art von Hardanger Fiedelspielern streichen. Sofort ist man in die Klischeewelt von Trollen, Fjorden, düsteren Wäldern und Bergseen entführt. Die Klänge entpuppen sich jedoch als Pifa aus einer Sonate von Johann Helmich Roman. Nacheinander treten weitere Musiker auf, bis das Ensemble „Barokksolistene“ unter Leitung des norwegischen Barockgeigenspezialisten Bjarte Eike vollzählig versammelt ist.

Zu ihnen tritt die deutsch-norwegische Sopranistin Isa Katharina Gericke, um mit weicher und warm getönter Stimme die entsagungsvollen bis wutrasenden Affekte der Händel-Kantate „Die verlassene Armida“ auszuforschen. Ein anmutiger, dann wieder rasanter Loipenlauf durchs kurvenreiche Barockrevier mit viel Seufzermelodik am Rande. Dabei wird sie von den in historischer Spielweise versierten Mitstreitern gebührend angefeuert. Zusammen mit dem Cembalisten Olof Boman hat sie auch die künstlerische Leitung der „Langen Nacht“ und deren informative, anekdotenangereicherte Moderation übernommen. Alle Aufgaben beherrscht sie souverän.

Genauso Kristine Hjulstad, die klassische Musik mit Zauberkunst zu verbinden versteht. Sie visualisiert auf geradezu magische Weise, was ihr die Klänge eingeben. Zu den romantisch geprägten, vom Pianisten Christian Ihle Hadland kraftvoll und klar gespielten „Nordlandbildern“ von David Monrad Johansen lässt sie geknülltes Papier an ihrem Arm entlangwandern oder zwei Schnipsel als Schmetterlinge anmutig mit Fächerunterstützung flattern. In einem weiteren Foyer-Auftritt innerhalb des „Routenplanes“ bildet zur eingespielten „Drottningholmsmusiken“ von Johann Helmich Roman ein schwebendes Rotweinglas plötzlich mit dem ausfließenden Weinstrahl eine untrennbare Einheit. Verblüffend.

Dann werden kammermusikalische Schnittchen gereicht. Die dänische Geigerin Christina Åstrand begeistert unter anderem mit einer ausdruckstark gespielten, melancholisch herben „Romanze“ von Carl Nilsen, einfühlsam assistiert vom Pianisten Hadland. Nicht weniger beeindruckend unterstützt er das saitendunkle, kraftvoll singende Spiel des Cellisten Andreas Brantelid beim Vortrag von Edward Griegs a-Moll-Sonate, Bariton Lars Johansson Brissman trifft den zunächst elegischen, dann leidenschaftlich erregten Ton der Ballade „Florez och Blanzeflor“ von Wilhelm Stenhammar sehr gestaltungsintensiv, dennoch ganz verinnerlicht. Musik großer Gefühle und nationalromantischer Sehnsüchte. Sie erlebt man bei den zehnminütigen Aufenthalten im Studiosaal, auf der Bühne des großen Saals oder im unteren Foyer in weiteren einprägsamen Varianten. Schon während des Genusses köstlicher Fingerfood-Variationen wie geräucherter arktischer Saibling oder Tatar vom Rentierkalbsfilet machen diverse musikalische Überraschungen neugierig auf die anschließende Talkrunde mit den Protagonisten des Abends. In lockerer, ausgelassener und leicht beschwipster Stimmung bleibt der Großteil des Publikums bis kurz vor Mitternacht beisammen.

Peter Buske

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