Kultur: Ohne Stil Angelo Kelly erfreut im Lindenpark seine Fans
Als Zugabe kommt er noch, der obligatorische Kelly Family-Schmusebacken-Balladen-Hit. „I can''t help myself“, schluchzt Angelo Kelly mit seiner hohen Stimme.
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Als Zugabe kommt er noch, der obligatorische Kelly Family-Schmusebacken-Balladen-Hit. „I can''t help myself“, schluchzt Angelo Kelly mit seiner hohen Stimme. Und singt von der Liebe, wie Mann darüber verrückt werden kann. Solch schmachtender Leidliedkunst beherrscht er, das hat er bei den Kellys gelernt: Liebeskummer in Songs verpackt. In den knapp 90 Minuten vorher hat der 24-Jährige dies einige Male vorgeführt und seine zumeist jüngeren weiblichen Fans in Verzückung versetzt. Einige kreischen sogar vor Freude. Und viele singen die auswendig gelernten Textzeilen mit. Später wird Kelly über das mit rund 300 Besuchern gut besuchte Konzert in Potsdam im Tourtagebuch seiner Webseite schreiben, dass es „überwältigend“ war.
Doch Angelo Kelly hat während seines Konzerts versucht, mehr zu zeigen als bloße Balladenklopperei. Jüngst ist seine erste Solo-CD „I’m ready“ erschienen. Und so gemischt wie diese CD wirkt auch das Konzert: Mal versucht er sich mit angeschrägten HipHop-Einlagen, mal mit typischem Britpop á la Oasis und sogar noch härtere Gitarrenklänge sind dabei. In solchen Momenten, wenn er nicht balladenmäßig klagen muss, blüht der junge Mann regelrecht auf. Er rennt über die Bühne, tanzt, feuert die Fans an, tobt weiter. Sein Gesicht läuft rot an, ein mächtiger Schweißfleck erscheint auf seinem Hemd in Höhe seines Bauches. Seine Frau Kira, die als zweite Sängerin die Tour begleitet, lächelt in solchen Momenten liebevoll ihren Gatten an. Als wolle sie sagen: Komm’ aus dir raus.
Kira ist auch in anderer Hinsicht eine der wenigen Überraschungen des Abends – ihre Stimme ertönt ungewöhnlich geschult und glockenklar rein. So ähnlich hörten sich damals auch die Stimmen von Angelos vielen Schwestern bei der Kelly Family an. Spötter behaupten, dass das Paar sowieso eine Art neue Kelly Familie plane – drei gemeinsame Kinder ziehen sie zur Zeit schon auf. Dass solche bissigen Bemerkungen entstehen können, daran ist Angelo Kelly nicht unschuldig: Viele seiner Stücke erinnern eben noch an frühere Zeiten. Und über die Zeit bei der „Familie“ findet er auch in Potsdam viele warme Worte. In der Lage, sich aus diesem übermächtigen Schatten zu lösen, ist er mit seinem Soloprojekt noch nicht. Eigene künstlerische Akzente? Fehlanzeige. Er bleibt zur Zeit nur ein musikalischer Gemischtwarenhändler ohne besonderes Sortiment, der jede Richtung einmal versucht, aber sich nicht gänzlich auf einen Stil festlegen kann. Nicht Fisch, nicht Fleisch. Henri Kramer
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