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Via Satellit dabei: beim Met-Rheingold mit Gerhard Siegel und Eric Owen.

© Ken Howard/Metropolitan Oper

Von Klaus Büstrin: Oper im Kinosessel

Live-Übertragung aus der Met mit Wagners „Das Rheingold“ in der UCI-Kinowelt

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Sogar das Husten ist zu hören. Diese unangenehme und störende Begleiterscheinung in einem Konzertsaal oder in einem Theaterraum wollte die Tonaufnahme wohl nicht unterdrücken. Alles sollte so lebendig und wahrheitsgetreu auf die Leinwand kommen, so als ob man sich zwischen den Zuschauern im Original-Theaterraum befände. Auch alle eventuellen Pannen, ob stimmlich oder technisch, wurden nicht geglättet oder gar verfälscht. Live ist eben live.

Am Samstag konnte man an der Live-Übertragung aus dem berühmtesten Opernhaus der Welt, der Metropolitan Opera in New York, von Richard Wagners „Das Rheingold“ via Satellit im UCI Potsdam mit dabei sein und auch nicht. Denn es fehlte die unmittelbare Nähe und Atmosphäre, die sich wohl nur bei einer persönlichen Anwesenheit im Zuschauerraum erschließen.

Das Level Clasart Classic von Tele München ermöglicht in dieser Saison weltweit Opernliebhabern große musikdramatische Aufführungen der Met live mitzuerleben. Noch sind sieben Opernabende zu erwarten. In 150 ausgewählten Kinos. In Potsdam verwandelt sich die UCI-Kinowelt in den Bahnhofspassagen ebenfalls in ein Opernhaus. Mussorgskis „Boris Godunow“, Donizettis „Don Pasquale“, Verdis „Don Carlo“ und „Il Trovatore“ oder Wagners Fortsetzung des „Rings des Nibelungen“ mit „Die Walküre“ stehen auf dem Programm, gesungen von bedeutenden Sängerpersönlichkeiten.

Am ersten Abend der Vorabend zum „Ring“: „Das Rheingold“. Über 2000 Zuschauer füllen den großen Saal der Metropolitan Opera. Es schien, dass in der Samstagvorstellung alle Sitzplätze ausverkauft waren. In der UCI-Kinowelt nahmen vielleicht 60 Zuschauer Platz. Man konnte es sich ganz bequem machen, den Mantel oder die Jacke über einen Nachbarstuhl legen und sich tief in den weichen Sessel fallen lassen. Man fühlte sich fast wie zu Zuhause. Gemütlich wurde es. Ob jemand mit Popcorn die Aufführung überstehen wollte, war nicht auszumachen. Das Publikum schien wohl eher Opernabende ohne diesen üblichen Knabber-Genuss zu kennen. Ein anderes Bild aber als daheim tat sich vor den Zuschauern auf, nämlich keine Reduktion des Wahrnehmbaren als Schlüssellochcharakter. Die geschickten Kameraeinstellungen hatten alle Feinheiten der Szene im Blick, als die Sicht des Zuschauers im Theatersaal auf die Bühne mit ihrem immer gleich bleibenden Ausschnitt. Zwölf mobile Kameras waren auf der Met-Bühne dabei. Technisch funktionierte nach einem kurzen Anlauf alles reibungslos. Bild und Ton fanden gestochen scharf und lippensynchron über den Satelliten Sirius 2 zu den Satellitenschüsseln auch von UCI. Als einziges Land hatte Deutschland statt der englischen deutsche Untertitel bekommen, die direkt aus New York eingespielt wurden.

Nachdem der Kinobesucher einen kleinen Ausschnitt aus der Probenarbeit zum „Rheingold“ verfolgen konnte, bei der die komplizierte und phantasievolle Technik des Bühnenbildes, eine 45 Tonnen schwere Illusionsmaschine, sichtbar wurde, einem Interview mit dem Wotan-Darsteller, den Waliser Bariton Bryn Terfel, lauschen durfte (Englisch-Kenntnisse waren Voraussetzung), wurde es in der Met dunkel. Maestro James Levine erschien am Dirigentenpult. Dann erlebte die Neuinszenierung von Robert Lepage, die Ende September Premiere hatte, eine an diesem Abend gefeierte Reprise, in der es aber auch Buhrufe für den Loge-Darsteller Richard Croft und ein paar für Bryn Terfel gab. Dabei haben beide Sänger wie auch Eric Owens als Alberich oder Hans-Peter König und Franz-Josef Selig als die Riesen Fafner und Fasolt in besonderer Weise darstellerisch und auch stimmlich die Aufführung getragen. Des Kanadiers Robert Lepage Regiearbeit in New York ist von großer Bildhaftigkeit bestimmt. Die Gier nach Macht und Gold steht auch bei ihm im Mittelpunkt. Der konservative Zuschauer wie auch derjenige, der eher eine provozierende Lesart bevorzugt, kann sich in dieser Inszenierung gut aufgehoben fühlen. Auch musikalisch.

Als der letzte Ton in der Met verklang, haben nicht nur die Zuschauer im fernen New York applaudiert, sondern auch einige Besucher in der UCI-Kinowelt, wenn auch noch recht verhalten.

Nächste Live-Übertragung am 23. Oktober mit „Boris Godunow“

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