zum Hauptinhalt

Kultur: Orgelwerke durchweg im prachtvollen Moll

„Dornenzeit“ in der Friedenskirche Sanssouci: Ein kleines Kapitel über Pilatus

Stand:

Nachdem die Friedensgemeinde zunächst Christi Passion mit dem Verrat des Judas eröffnet hatte, setzte man bei der letzten „Dornenzeit“ mit einer weiteren Person auf dem Leidensweg Jesu zum Kreuz fort. Diesmal ging es um Pontius Pilatus, Statthalter Roms in Jerusalem. Dieser Mann, dessen Name jeden Sonntag im Glaubensbekenntnis gesprochen wird, fand keine Schuld an seinem „Delinquenten“, lieferte ihn aber dennoch dem Mob der Straße aus. Kreuziget ihn! war die Antwort auf seine Frage „Welchen wollt ihr, dass ich euch losgebe, Barabbas oder Jesus...?“

Eine „heilsgeschichtliche Weichenstellung“, wie die Theologin Margot Käßmann in ihrem Auslegungstext richtig befand, denn was wäre geschehen, wenn Pilatus von seinem alleinigen Richteramt Gebrauch gemacht und Jesus hätte „laufen lassen?“ Erst posthume wird man verstehen, was Jesus „uns mit seinem Tod sagen wollte“, schrieb Eric-Emanuel Schmitt in seinem Roman „Das Evangelium nach Pilatus“. Fragen über Fragen: Nach Macht und Verantwortung, nach den Gewissensqualen des Römers, der seine Hände ja vor aller Augen „in Unschuld“ wusch, aber auch nach den geistlichen Amtsträgern, den Hohepriestern: Sie „überredeten“ das Volk, einen bösen Mörder freizubitten, den Unschuldigen aber ans Kreuz zu nageln.

Diese Vesper jedenfalls ist in seiner von verbalen wie musikalischen Aussage ohne Wenn und Aber zu loben. Matthias Jacob wählte diesmal ausschließlich Orgelmusik, um den zentralen Gedanken dieses Nachmittags zu befördern. Fast durchweg in einem prachtvollen Moll, erklangen Werke seiner Favoriten Max Reger, Johann Sebastian Bach, Dietrich Buxtehude und Frank Martin. Mehr Besuch als das erste Mal, eine tadellose Akustik, dazu die starke wie demutsvolle Stimme des vortragenden Klaus Büstrin, der mit Eric-Emanuel Schmitts Roman fast einen Schatz gefunden hatte. Auch Paul Gerhardt fehlte nicht. Inwieweit sich Margot Käßmanns Angst, „wir“ könnten "Marionetten Gottes" sein, bestätigt, steht auf einem anderen Blatt: Er hat zwar jedermann den freien Willen gegeben, manche sich aber zum Werkzeug gemacht, wie eben Pilatus, sonst gäbe es wohl keinen Heilsplan.

Man konnte diese sehr kompakte und fühlbare Vesper also von beiden Seiten her aufnehmen, verbal, oder eben musikalisch. Matthias Jacobs Talente sind ja wohlbekannt, er spielt die Orgel von seinem Inneren her, Gefühl und Ausdruck bilden oft eine Einheit. Dietrich Buxtehudes Passacaglia in d-Moll gab er mit mäßigem Tempo ganz meditativ, man hatte den Eindruck, als ob hier ein Dom zu erbauen wäre, wunderbar. Aus Bachs „Orgelbüchlein“ erklangen drei Choräle ähnlicher Lesart, kurz, leise, traurig etwa „Da Jesus an dem Kreuze stund“. Mit Regers Kanon in e-Moll zeigte Matthias Jacob, wie wunderbar spätromantische Orgelmusik auf der Woehl-Orgel klingt. Einen Glanzpunkt setzte der Organist dann mit Johann Pachelbels Ciacona f-Moll, darin es Stimmen wie aus himmlischem Glas gibt, schlichte Melodien, spielerische Einzeltöne. „Barabbas oder Jesus?“ schwang in allen Vorträgen desd Kantors der Friedenskirche mit, auch bei Frank Martins vor vierzig Jahren geschriebenen „Agnus Dei pour orgue“.

Zum Abschluss Bachs Dorische Fuge (BWV 538), so kräftig gespielt, dass manche Töne ins Flirren kamen. Hier war wohl der Mörder gemeint. Man dankt. Gerold Paul

Die nächste „Dornenzeit“-Veranstaltung findet am kommenden Sonnabend um 17 Uhr in der Friedenskirche Snassouci mit Sophie Malzo, Sopran, und Tobias Scheetz, Orgel. Die letzte dieses Jahr ist für den 24. März, 17 Uhr vorgesehen. Die Orgel spielt dann Matthias Trommer.

Gerold Paul

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })