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Kultur: Packend und genüsslich

Orgelkonzert mit Andreas Zacher in der Propsteikirche St. Peter und Paul

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Orgelkonzert mit Andreas Zacher in der Propsteikirche St. Peter und Paul „Welches Feuer, welcher Durst nach Leben verzehren mich“, vertraut der französische Komponist und Organist Jehan Alain (1911-1940) seinem Tagebuch an. „Her zu mir, brennendes Leben und all das, was du an Leiden und ausgelassener Freude mit dir bringst!“ In seiner spärlichen kompositorischen Hinterlassenschaft findet sich davon die Fülle. Dass sich das Werk des im zweiten Weltkrieg Gefallenen zunehmenden Interesses erfreut, ist mit ein Verdienst von Potsdamer Organisten. Jetzt nahm sich Andreas Zacher bei seinem Orgelkonzert in der Propsteikirche St. Peter und Paul der wichtigsten Werke von Alain an. „Wenn die Verzweiflung einer christlichen Seele keine neuen Worte mehr findet, um die Barmherzigkeit Gottes zu erflehen, so wiederholt sie in lebendigem Glauben ständig das gleiche Gebet“, stellt der Komponist seinem Stück „Litanies“ als Motto voran. Immerfort wiederholt sich im vollen Orgelwerk ein prägnantes Thema wie eine Litanei, das sich durch Akkordwechsel zu imposanter Größe steigert. Die dabei entstehenden toccatischen Effekte a la Widor und zahlreichen Echowirkungen breitet Andreas Zacher packend und genüsslich aus. „Die Vernunft erreicht ihre Grenze“, schreibt Alain dazu. „Nur der Glaube folgt ihrem Flug gen Himmel.“ Der Organist nimmt''s wörtlich. Nicht nur hierbei zieht Andreas Zacher die fürs Französische typischen Zungenstimmenregister. So sind auch die „Variationen über ein Thema von Clement Jannequin“ und „Le jardin suspendu“ (Die hängenden Gärten) in sozusagen orchestrale Klangfarben gehüllt. Die „Gärten“ sind zart getönt, tremolieren nach Maßen und erzeugen durch ihre extreme Diskantlage wunderschöne ätherische Wirkungen. Dagegen zeigen sich die „Variationen...“ in gebrochenen, wie verhangen wirkenden Klangfarben. Sie schreiten in changierenden, dennoch gedeckt kolorierten Gewändern gemessenen Schritts vorüber, umhüllen sich schließlich mit der Schärfe von Prinzipalstimmen. Wie dabei ein Musikstück des 16. Jahrhunderts sich in die Tonsprache der Moderne verwandelt, ist staunend zu verfolgen. Andreas Zacher trägt dazu sein vermittelndes „Scherflein“ bei. „Auch möchte ich lieber glauben, dass ich jeden Moment vor Lachen oder vor Kummer sterbe als mich panzern und der Empfindsamkeit eines Küchenofens zuneige“, notiert Alains Tagebuch. In seinen „Trois Danses“ reicht der Bogen klanggewordener Daseins-Betrachtungen von kindesfroher Freude über Trauer und Seelennot des Reifenden bis hin zum Leid überwindenden Lebenskampf. Sie sind stark vom Jazz beeinflusst, was den drei Tänzen eine bezwingende Lebendigkeit verleiht. Die Schuke-Orgel wird von Andreas Zacher reichlich gefordert. Im Organo pleno schichtet sie Akkorde zu monumentalen Gebilden; sie muss Bohrendes und Bedrohliches verkünden; nach toccatischen Eruptionen und einer Meditationspause darf sie schließlich sieghaft, geradezu triumphal enden. Zwischendurch zeigt sie weitere Facetten. Der Toccata F-Dur von Dietrich Buxtehude (1637-1707) schenkt Andreas Zacher viel Leichtigkeit und Fröhlichkeit, strahlende Frische und pointierte Passagen. Dennoch bleiben protestantische Größe und Erhabenheit nicht unausgesprochen. Leicht und heiter, geradezu von mediterraner Lässigkeit durchzogen spielt er Johann Sebastian Bachs Triosonate c-Moll BWV 562. Flötenlieblich, sanft und zephyrleicht tönt das Largo – ein Bach der barocksinnlichen Art! Überaus kontrastreich registriert, erklingt „Ballo del Granduca“ (Ball des Großherzogs) von Jan Pieterszoon Sweelinck (1562-1654) gleichsam als tänzerischer Wettstreit zwischen einem Krieger (wofür Zacher das auffällige, metallisch schnarrende Krummhorn-Register zieht) und einer Minnemaid, deren Anmut sich hüftwiegend und schreitend per weichtönender Register verbreitet. Peter Buske

Peter Buske

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