Kultur: Parodie auf die Hochschulzeit
Rosa von Praunheim dreht in Babelsberg „Fünf tote Studenten“ / Professorentätigkeit geht zu Ende
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Im „Zirkus“ wird gedreht. Dieser Zirkus ist kein großes Zelt, in dem Tiere und Artisten ihre Künste zeigen, sondern eine alte marode Fabrikhalle in Babelsberg, die aussieht wie ein Zirkuszelt. Dort also dreht Rosa von Praunheim Szenen für seinen Film „Fünf tote Studenten“. Beispielsweise diejenige, in denen verwöhnte Filmregiestudenten vorgeben, in Kalkutta einen Filmauftrag ihrer Professorin zu erledigen. Doch nicht nach Indien sind sie gereist, sondern in eine alte Halle. Dort drehen sie einen Film mit verkleideten Indern. Von dort aus senden sie dramatische Botschaften an die Filmhochschule.
Dieser Film, der mit Beteiligung des WDR produziert wird, ist Rosa von Praunheims Resümée von fünf Jahren Lehrtätigkeit an der Babelsberger Hochschule für Film und Fernsehen. „Doch der ,Abschlussbericht’ ist eine Parodie auf meine Zeit hier und die meiner Studenten.“ Der Regieprofessor erzählt, dass, als er an die Hochschule kam, viel zu viel Theorie gelehrt wurde. „Das Klavierspielen lernt man schließlich nur durch das Üben. Und so ist es auch beim Film. Hier in Babelsberg wird man außerdem wie in einem warmen, weichen Nest gehegt und gepflegt. Und dann wundern sich die Studenten, wenn nach dem Studium die Realität viel härter aussieht als sie dachten.“ Deshalb hat er oftmals seine Studenten mit ganz ungewöhnlichen Aufträgen konfrontiert. Er schickte sie wirklich nach Kalkutta, um dort zu drehen und soziale Probleme zu studieren. „Es kamen wunderbare Kurzfilme zustande, die das Leben in der Stadt porträtieren. Dann steckte ich Studenten in einen leerstehenden Knast in Neustrelitz. Jeder bekam eine eigene Zelle und musste in totaler Isolation mit nur einem Schauspieler einen Film drehen. Ich bewachte die Arbeiten auf dem Gefängnisgang und schaute ab und zu durch die Essensklappen. Nach einer Woche Knast wollten die Studenten gar nicht mehr dort raus.“
Auch Rosa von Praunheim hat sich in seinem Film parodiert. Sein Alter Ego, Professorin an einer deutschen Filmhochschule, macht sich mit unkonventionellen Lehrmethoden bei den schon lange im Amt sitzenden Professoren keine Freunde und schafft sich Konflikte mit und zwischen den Studenten.
Ursprünglich sollte die sehr dominante Professorin Hannelore Elsner spielen. Doch wegen des schmalen Budgets von unter 100 000 Euro hat er sich für Ellen Reichardt entschieden, die keine Berufsschauspielerin ist, sondern als Lehrerin ihr Brot verdiente. Praunheim und Ellen Reichardt kennen sich schon seit langem. Die Berlinerin hat vor einigen Jahren in des Regisseurs Aids-Film „Ein Virus kennt keine Moral“ mitgewirkt. Ihr Gegner an der Hochschule wird von Heiko Pinkowski dargestellt und die Sekretärin von Christiane Ziehl, beide sind professionelle Schauspieler. Die Studenten spielen Schauspiel- und Regiestudenten. Gut fünf Wochen dauerten die Dreharbeiten in Babelsberg und in Berlin. Im Winter soll der Film fertig werden, sagt Rosa von Praunheim. Und somit wünscht er sich, dass der Streifen auf der Berlinale im Februar gezeigt werden könnte.
Erst im Sommer hat der Regisseur einen dokumentarischen Film in Russland mit dem Titel „Olga auf der Wolga“ abgedreht. In den kommenden Wochen geht er auf die Spurensuche nach seinen wahren Eltern – seine Mutter hatte ihm erst vor sechs Jahren gestanden, dass er während des zweiten Weltkrieges in Riga adoptiert wurde. Aus dieser wahren Geschichte wird er für den rbb einen Film drehen. Und in Planung ist eine Filmarbeit über Rudolph Moshammer.
All das kann er nun nach dem Ende seiner Professorentätigkeit in Babelsberg angehen. „Aber Unterrichten macht auch Spaß. Und glücklich war ich, als beispielsweise drei Studenten meines ersten Jahrgangs ein ,Kleines Fernsehspiel’ für den ZDF realisierten oder Thanassis Karanikolas im Wettbewerb der Berlinale mit einem Film vertreten war, Thorsten Thrimpop die Dokumentation ,Der irrationale Rest“ über Verrat in der DDR drehte.“
Jetzt aber müsse man weiter drehen, sagt Rosa von Praunheim und verabschiedet dieJournalisten im „Zirkus“. Die Scheinwerfer gehen an, Regisseur und Darsteller sind wieder in „Kalkutta“.
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