zum Hauptinhalt

Kultur: Passionsmusik mit Knabenstimmen

Litauischer Knabenchor und Knabenchor der Singakademie Frankfurt/Oder in der Erlöserkirche

Stand:

Litauischer Knabenchor und Knabenchor der Singakademie Frankfurt/Oder in der Erlöserkirche Den Passus „Knaben“ durfte man am Sonnabend nicht allzu wörtlich nehmen, als zwei so „gestandene“ wie ausdrucksvolle Chöre zur Vesperzeit in der Erlöserkirche erlesene Passionsmusiken gaben. Sowohl der litauische Knabenchor „Varpelis" als auch der Knabenchor der Singakademie Frankfurt/Oder setzt sich aus Kindern, Jugendlichen und rüstigen jungen Männern zusammen (welche im Verlauf des etwa 90-minütigen Konzertes auch ganz wundervolle Bässe geben konnten). Der eine wird von Kinderarzt Jürgen Hintze geleitet, der andere von Ksaveras Planciunas, beide kennen sich bereits ein Dezennium. Man besucht sich gegenseitig, trifft sich zweijährlich zum Musikfest an der Oder – und musiziert halt gemeinsam, was dem Land Brandenburg besonders gut tun dürfte, denn Knabenchöre sind hier äußerst rar, Klangerlebnisse dieser Art entsprechend selten. Schade, dass nicht mehr Besucher den Weg zu „Erlösers" fanden, das etwa 100-köpfige Gesamt-Ensemble hatte es gewiss verdient. Man konzertierte im geordneten Nacheinander, meist a capella. Die Frankfurter bevorzugten deutschsprachige Literatur vom ausgehenden 17. bis zum Beginn des 20. Jahrhundert, die Gäste aus Kaunas gaben einige Proben zeitgenössischer Komponisten ihrer Heimat, hielten es dann aber europäisch und amerikanisch, eine interessante Melange. Im dritten Teil des Konzerts sang man gemeinsam, mit John Rutter „Gott segne und behüt dich" auf Englisch, zum Finale dann das lateinische "Stabat mater" von Josef Gabriel Rheinberger (1839-1901), Hofkapellmeister für Kirchenmusik in München – ein so opulenter wie würdevoller Abschluss gemeinsamen Musizierens. Vor den meist ganz nobel intonierten Parts hätte man sich freilich ein Paar Worte über die Komponisten gewünscht, besonders zu Vytautas Miskins und seiner modern eingerichteten Messe „Pro Pace", oder zur „Una hora" – Motette seines verstorbenen Landsmannes Juozas Naujalis, der in Litauen fast so viel Achtung genießt wie Johann Sebastian Bach in Deutschland: Mit dessen Choral „Befiehl du deine Wege" eröffnete die Singakademie Frankfurt die ganz im Zeichen der Passion Christi stehenden Vesper ausdrucksstark und stimmig. Inniglich auch die Choräle von zwei frühen Vertretern der thüringischen Musiker-Dynastie: Johann Christoph (1642-1703) war mit „Der Mensch, vom Weibe geboren", Johann Michael Bach (1648-1694) mit „Ich weiß, daß mein Erlöser" vertreten. Von Friedrich Silcher (1789-1860) hörte man ein ganz spirituell empfundenes „Schau hin nach Golgatha", und das, obwohl weder dieser noch der litauische Chor „sakrale Ausbildung" hatten. Respekt. Mit weniger Stimmen war dann Bruckners „In monte oliveti" zu hören, die Bitte um Erbarmen ging einem schon nahe. Auch „Varpelis" hat Erfahrung mit geistlicher Musik. Mozarts „Requiem" gab es im vorigen Jahr, auch das „Weihnachtsoratorium" bewältigte der insgesamt 100-köpfige Chor (er konnte nur halbiert anreisen, „der Bus war zu klein") schon. 2005 wird die „Johannes-Passion" geprobt. Ihre Parts, oft mit Orgelpositiv-Begleitung (Rita Sirciene), waren modernen Komponisten gewidmet, Bob Chilcott („Can You hear me"), John Leavit mit seinem „Festival sanctus" und dem Dänen Michael Bojesen, dessen „Hear, o Lord" rhythmischem Körperausdruck anspornte. Eine unüberhörbare und freudige Eloge an den Stil amerikanischer Sakralgesänge. Wie gut die beiden Chöre harmonisieren, war zum Abschluss in Rheinbergers „Stabat mater" zu hören, darin Diskantstimmen und Bässe gebraucht wurden. Nach dessen hymnisch-kraftvollem Finale und gutem Applaus sang und summte man auch das litauische Lied „Wo die Wälder grünen" als Zugabe gemeinsam. Man darf und sollte dankbar sein. Gerold Paul

Gerold Paul

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })