Kultur: Paula ohne Paul
Der Schriftsteller Christoph Hein las am Theater
Stand:
„Für Paula T.“ steht als Widmung über dem neuen Roman von Christoph Hein, der wie ein Krimi beginnt und tödlich endet. Darin beschreibt der Berliner die „Selbstverwirklichung“ der Malerin Paula Trousseau über dreißig Jahre in einer seltsamen Differenz. Sie geht Bindungen ein und löst sie, öffnet sich Wege und zerstört sie dann wieder, aber das alles geht nicht zusammen. Diese Figur überzeugt ihre Leser nicht völlig, es bleibt immer ein Rest. Lachen und Heulen, Behaupten und Nachgeben, Siege und Niederlagen geben kein griffiges Bild, sie passt in kein Schema, wie auch ihr eigener Lebensroman nicht.
Dieses Eindrucks konnte sich auch das Publikum bei Heins samstäglicher Lesung im Hans Otto Theater nicht erwehren, einer Gemeinschaftsproduktion mit dem Brandenburgischen Literaturbüro und dem Literaturladen Wist, dessen Besitzer das Gespräch danach im feinsten Stöffchen leitete.
Gleichwohl alle Arbeiten Christoph Heins mit ihm selbst zu tun haben, und trotz der seltsamen Widmung, ist Paula Trousseau eine Kunstfigur. Der Autor kennt ihre Wege nicht am Beginn seiner Arbeit, wenn er ihr folgt, erlebt er viele Überraschungen. Die Biographie formt sich erst beim Eintauchen in dieses Leben, beim Schreiben „zwischen Dichtung und Wahrheit“. Hein betonte immer wieder, dass er kein Recht habe, sich gegen die Eigenbewegung einer Figur zu stellen, sie gar zu verurteilen. Aber „durchschütteln“ wollte er sie schon: Mädchen, komm zu dir!
Sein sechster Roman ist raffiniert gemacht, mehrere Zeit- und Erzählebenen, eine Chronologie mit zyklischen und linearen Anteilen, wechselnde Perspektiven, Irrtümer (russische Soldaten durften nicht ins Zivile, die „Rote Armee“ hatte längst einen anderen Namen), nicht völlig aufgelöste Szenen, ein betont heiteres Ende, ein Schreibgestus („Genauigkeit vor Nettigkeit“), dem der halbvolle Theatersaal mit Verwunderung nachforschte: Wie ein Mann so einfühlsam über eine Frau schreiben könne. Wer da fragte, kann man sich denken. Antwort: Er sei eher erstaunt, dass er „auch über Männer“ schreiben könne, Gespräche mit ihnen seien immer „ganz einfach“, bei Frauen aber sei stets „etwas dahinter“ – das berühmte Glied zwischen Ja, Nein und Vielleicht. Ernsthaft über die „Herren der Schöpfung“ zu schreiben, berge die Gefahr, „unfreiwillig komisch“ zu werden. Hein neigte sehr zum guten Bonmot, bei Carsten Wist“s Frage, ob diese Paula ohne Paul am Ende „Freitod oder Selbstmord“ beginge, ob sie mit ihrer Freundin Kathi? – „Manchmal denk“ ich das auch!“
Schnell und im leichten Staccato lesend, war er in eigener Sache ein überzeugender Plauderer. Heiteren Gemüts, meint ernst mit sich und der Literatur, auch oder gerade wegen der „Wende“, von der dieser Roman ein wenig erzählt. Im Sinn von Balzac wäre er gern „Sekretär der Geschichte“, sagte er, aber das ist vielleicht zu hochgegriffen. Autobiografisch, er verriet nicht mehr, seien all seine Bücher. Auch in Sachen bildender Kunst? Klar, mag Paula auch ein reales Vorbild haben, so steckt doch viel von ihr auch in ihm. Er kennt sich aus im Grundieren, im geschickten Gestalten, und wie Paula „Bilder ohne menschliche Spuren“ malt, so hält er es umgekehrt.
Was er über die Abstrakte Kunst sagte, würde ein neues Buch füllen: Die CIA, das sei wahr, hat sie als Waffe im Kalten Krieg eingesetzt: im Westen wurde gegenständliche Kunst verpönt, im Osten – deshalb also – alles Abstrakte bekämpft. Wer „Paula T.“ in Wirklichkeit sei, verriet Christoph Hein dem Publikum nicht, aber wem wäre ein solches Buch wohl zu widmen?
Gerold Paul
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