Kultur: „Penghuiweg“ im Spielraum
Nix wie hin: Strodehne bis Sonntag in der FH
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Nix wie hin: Strodehne bis Sonntag in der FH Vier Frauen und ihr eigenartiger Gesang eröffneten die Ausstellung „Spielraum“ im Betonsaal der Fachhochschule in der Friedrich-Ebert-Straße. Sie hatten sich selbst durch maskenartige Gebilde, die ihre Köpfe ins fast Unendliche steigerten, überhöht und ihre Körper mittels dunkelblauer Säcke reduziert. Dadurch entstand eine bizarre Spannung, die die spielerisch-leichte Vernissage für Minuten in einen urtümlichen Erfahrungsraum wandelte. Fast überbordend ist die Fantasie der Aktiven des Kunsthauses Strodehne, die ihrer Erleichterung über den Erhalt des Kunstortes an der oberen Havel mit dieser Ausstellung Luft machen. Da schlägt wunderbar skurril der kleine Mann mit der dicken Nase seinem Vordermann immer wieder gegen die Nieren – falls solche an einer Eisenstange überhaupt denkbar sind, auch er trägt ein schweres Steingesicht stoisch und aufrecht vor sich hin. „Kreisläufer“ nennt Volker Kiehn diese Installation und lässt sie gleich von einem ganzen Wald ähnlich kopflastiger Figuren bewachen. Schwer pocht ein steinernes Herz am Boden und öffnet immer nur für Sekunden seine schwarze Seele. Auch dieses ernst-unernste Objekt von Volker Kiehn, der kühn seiner humorigen Imagination freien Lauf lässt und damit die Wuchtigkeit der „Kokille“ von Sebastian Kulisch, einer zweiteiligen, riesigen Eisenkonstruktion, mildert. Freundliche Kindlichkeit spiegelt sich in dem Video von Matthias Scheliga, die Hände eines Jungen zerpflücken immer wieder den roten Mohn, auch er fragt sich schon, ob die Liebe ewig währt. Diese Erholung benötigt man nach dem Sehen des „Flucht“ genannten Videos von Anita Tarnutzer, bei dem sich die Gewalt per Akustik hauptsächlich im Kopf abspielt. Es gibt viel zu sehen in der von Rainer Fürstenberg und Anna Buschner kuratierten Ausstellung und es lohnt sich auf jeden Fall, an der Vielgestaltigkeit der Fantasieobjekte, Installationen, Zeichnungen, Fotografien und Videos teilzuhaben. Man kann selbst seinen Spieltrieb entdecken, indem man auf Knöpfe drückt und damit über den Köpfen angebrachten Gummirohren Gelegenheit gibt, sich wie wild zu drehen. Das dabei entstehende Stöhnen könnte auch mit den eigenen Erfahrungen am Reck oder Barren assoziiert werden und erst die Spiele der „Känguru“-Abteilung nehmen diese Bedrückung. Neben Zeichnungen und Fotos schlägt der Nachwuchs dort Spiele vor. Wunderbar verschlängeln können sich Arme und für gymnastisch Begabte sicher auch Beine in dem weiß gewickelten Turm, der immer mal wieder einen offenen Gang für das Eintauchen der Extremitäten anbietet. Ganz verschwinden kann man darin aber nicht. Bis in die Stadtfläche ausgedehnt war der „Spielraum“ am Mittwoch Abend, als sich zwei Wagemutige mit Rainer Fürstenbergs „Penghuiweg“-Gefährt in den Potsdamer Stadtverkehr wagten und schon einmal recht wackelig ausprobierten, wie es sich in dieser mobilen Konstruktion leben und fahren lässt. Dieses durchaus nützliche, chinesisch inspirierte Kunstobjekt ist Teil des Symposiums „Architekturen der Nomaden“, das von Kunsthaus auch deshalb initiiert wurde, weil seine Aktiven ständig zwischen Potsdam und dem malerischen Ort Strodehne und der Landeshauptstadt hin und her nomadisieren. Ganz auf den flexiblen Menschen eingestellt sind die Vorschläge von Raiko Epperlein und Max Buschner, die „für jede Zukunft ein Zuhause“ modulieren. Sogar WG-geeignet ist das rollende Haus, und da heutzutage selbst die Studierenden von einer Stadt in die andere vagabundieren, ist das sicher die Architektur von morgen. „Wir fangen schon mal an“, dachten sich die Initiatoren des Projekts und zielen mit ihren Beiträgen auf das Architekturjahr von Kulturland-Brandenburg 2006. Noch bis Sonntag sind die Pforten zum spielerischen Potpourri geöffnet: Nix wie hin!Lore Bardens
Lore Bardens
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