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Ausstellung im Pavillon auf der Freundschaftsinsel: Phantom-Bilder
Der BKV zeigt Bilder von einem, den es nicht geben dürfte – einem Künstler in Rente.
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Hirschvogel gibt es eigentlich nicht. Der Maler ist verschwunden. Er macht zwar kein Geheimnis um seine Existenz und erscheint auch auf Vernissagen. Aber er heißt nicht mehr so und er produziert auch keine Werke mehr, die er mit dem Pseudonym zeichnet. Vielleicht hat er einfach alles Wesentliche mitgeteilt.
Seine Bilder kann man sich anschauen. Denn sie hängen im Pavillon des Brandenburgischen Kunstvereins auf der Freundschaftsinsel. Es sind sonderbare Zeichen und Formen, die sich unter einer gelackten Oberfläche auf kleinem Raum verdichten. In reduzierten Farben gehalten: Braun, Schwarz und Rot, spannen sich Bögen und Linien über einen geometrisch strukturierten Innenkörper.
Manchmal wirken die Zeichnungen wie Insekten, wie etwas, das gleich aus dem Bild heraus in den Raum krabbeln wird. Die meisten der Bilder sind mit einer sehr dicken Schicht Klarlack überzogen, auf dunklem Untergrund präsentiert und in einem sorgfältig ausgewählten Holzrahmen positioniert. Die passgenaue Präsentation verleiht ihnen unweigerlich eine starke Aura. Die hinterlässt beim Betrachter das zwiespältige Gefühl der Faszination von etwas Unerklärlichem, Dunklen, auch sexuell Aufgeladenem.
Der Kunstbetrieb interessiere Hirschvogel nicht mehr, seitdem er die Serie von Zeichnungen abgeschlossen habe, die nun im Brandenburgischen Kunstverein (BKV) und in der Galerie Lehmann zu sehen sind, sagt Carsten Hensel, Vorstandsmitglied des BKV. Hirschvogel arbeite in einem anderen, aber immerhin der Kunst verwandten Bereich.
Der Künstler, so Gerrit Gohlke, Kurator der Ausstellung, habe sich eine erfolgreiche bürgerliche Existenz aufgebaut. Damit sei er auch gut beschäftigt. Hirschvogel spekuliere nicht darauf, nach langer Abwesenheit im Kunstbetrieb wieder zu reüssieren. „Das Genie im Ruhestand schweigt, obwohl nichts einfacher gewesen wäre, als das präzise entwickelte von Künstlerkollegen vielbeachtete Zeichensystem zum Lebenswerk auszubauen“, erklärt Gohlke.
Da stellt sich aber dann doch die Frage, ob es wirklich so einfach gewesen wäre, auf der Grundlage des „Zeichenapparates“ und „Signalsystems“, das Golhke im Werk des Künstlers erkannt hat, eine funktionierende Existenz aufzubauen. Hing tatsächlich eine „abholbereite Erfolgsgeschichte an der Wand“, wie der Kurator meint? Hirschvogel, 1966 in Dresden geboren, habe sich zu einer Zeit in einem Umfeld bewegt, das künstlerisch und kommerziell international sehr erfolgreich geworden sei: Dresden um das Jahr 2000. Künstler wie Eberhard Havekost oder Thomas Scheibitz sind daraus hervorgegangen.
Wirklich, die Zeichen von Hirschvogel sind einzigartig, gerade auch in ihrem Rekurs auf die Ästhetik einer schrecklichen Vergangenheit, die als Hakenkreuz in einem der Bilder auftaucht, die Hirschvogel aber als Swastika, als asiatisches Urzeichen also, gelesen haben möchte.
Die Bilderserie fügt sich in eine Reihe vergleichbarer Künstler, die ebenfalls einzigartige, ganz individuelle Zeichensysteme entwickelt haben. Dorothy Iannone, Friedrich Schröder Sonnenstern, Henry Darger, Karl Hans Janke oder die Outsider Künstler der Sammlung Prinzhorn. Hirschvogel habe allerdings eine klassische akademische Ausbildung, sagt Gohlke. Auffällig bei Genannten ist das Fehlen der üblichen Vermarktungsmerkmale des Kunstbetriebes: das Studium bei einem anerkannten Lehrer, möglichst eine Mitarbeit in dessen Atelier, entsprechende Preise und Stipendien, die der Künstler bald erhält und die Vermarktung durch eine relevante Galerie. Gemeinsam ist, dass sie eine ganz klare, eigenständige Position entwickelt haben, die genau den Wiedererkennungswert hat, den der Kunstmarkt auch fordert.
So kann man sich anhand dieser Ausstellung auch die Frage nach den Verwertungsmechanismen des kommerziellen Kunstbetriebes stellen, in dem Hirschvogel nun möglicherweise doch avanciert, ebenso wie diejenige nach der irritierenden Ambivalenz seiner biomorph changierenden Zeichensysteme.
Die Ausstellung ist noch bis zum 1. Mai im Ausstellungspavillon auf der Freundschaftsinsel, über Burgstraße oder Lange Brücke erreichbar, zu sehen. Geöffnet ist jeweils mittwochs bis sonntags vom 14 bis 18 Uhr.
Richard Rabensaat
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