
© Jean Baptiste Millot
Potsdamer Musikfestspiele: Telemann im Osten
Der junge Georg Philipp Telemann ließ sich von Musik aus Polen inspirieren. Bei den Potsdamer Musikfestspielen erlebten seine Reminiszenzen eine bejubelte Renaissance.
Stand:
Wie kaum einer seiner barocken Zeitgenossen verstand Georg Philipp Telemann die Kunst der kulturellen Aneignung. In durchaus positivem Sinne verschmilzt er Stilelemente aus der italienischen, französischen und deutschen Musik und wird so zum Meister des „Vermischten Geschmacks“. Als frisch gebackener Hofkapellmeister im schlesischen Sorau reist Telemann bis nach Krakau und lernt die „polnische und hanakische Musik in ihrer wahren barbarischen Schönheit kennen“, wie es in seiner Autobiografie heißt.
Am Donnerstag erlebten Telemanns Reminiszenzen eine bejubelte Renaissance bei den Musikfestspielen. Der französisch-serbische Flötist und Sackpfeifer François Lazarewitsch und seine Musiciens de Saint-Julien begeistern im Raffaelsaal. Außer Originalwerken von Telemann erklingt polnische, slowakische und ungarische Folklore. Die Historie dient hier nur als Sprungbrett. Was vielleicht mal so ähnlich im Original geklungen haben könnte, entpuppt sich als effektvolle Fantasie aus mitreißenden Tanzrhythmen und bewegenden Liedern.
Die Musiker spielen auf Originalklanginstrumenten, entscheidend aber ist ihr präzises, inspiriertes und oft wie improvisiert wirkendes Zusammenspiel. Zu Streichern und Lauten gesellen sich exotische folkloristische Instrumente. Jeder Einzelne erweist sich als Meister seines Fachs. Die herbsüße Stimme der singenden Cellistin Hélène Richaud belebt die polnischen Tanzlieder ebenso wie den traurigen Gesang um den Tod der Mutter. Der tschechische Geiger Josef Zak präsentiert sich als virtuoser Saitenspringer und Klangmaler.
Auf dem Cimbalon begeistert Iurie Morar mit filigranem Silberklang. Ebenfalls ein Meister ist der französische Gitarrist und Lautenist Éric Bellocq an Erzlaute und Cister. Dem steht Pierre Rigopoulos an diversen Trommeln nicht nach. Mit einem modernen, hochdifferenzierten Solostück auf der Zarb, einer persischen Bechertrommel, erweitert er den musikalischen Horizont beträchtlich. Als spiritus rector hält Lazarewitsch dezent alle Fäden in der Hand und sorgt für ein außergewöhnliches Konzert.
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