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PNN-Serie: Potsdams Gärten: Hinter violetten Läden

Für unsere Sommerserie besuchen wir POTSDAMS GÄRTEN und Parks. Zum Abschluss der Reihe: Der außergewöhnliche Garten von Blumenmalerin Charis Schwinning und Wolfgang Fabian, in dem Farben und Tiere, aber auch Erdgeister zu Hause sind.

Von Sarah Kugler

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Potsdam - Der Gartenzauber beginnt bei den Fensterläden. In einem kräftigen Violett strahlen sie Besuchern schon von Weitem entgegen, richten die Aufmerksamkeit auf dieses Backsteinhaus in Kartzow. Einem kleinen Ortsteil, der so dörflich anmutet und doch zur immer größer werdenden Stadt Potsdam gehört. Charis Schwinning und Wolfgang Fabian hat es schon vor vielen Jahren hier hingezogen, aus dem städtischen Kern hinaus. Seit 1992 wohnen die Blumenmalerin und ihr Lebensgefährte in Kartzow – im Einklang mit der Gartennatur, aus der vor allem Schwinning auch Kreativität schöpft.

Vor allem aus den Farben schöpft sie. Als studierte Restauratorin sind sie quasi ihr Spezialgebiet, sie selbst spricht von sich scherzhaft als Apothekerin der Farben. Weil sie jede Pigmentierung kennt, jede Zutat für das richtige Farbrezept. Da wundert es nicht, dass auch ihre Fensterläden ganz bewusst in Violett gehalten sind. „Es ist die Lieblingsfarbe der Hummeln und Wildbienen“, erklärt sie. Der kräftige Ton sei eine Hommage an die Rose, drei verschiedene Arten dienten als Inspiration.

Ein Leben im Rhythmus des Gartens - mit Hühnern und Ziegen

Die Insekten interessieren sich dann aber doch eher für die Pflanzen. Vor allem die Raublatt-Aster im vorderen Gartenteil ist belagert – sogar Schmetterlinge flattern hier herum. Charis Schwinning geht an der Pflanze immer ganz dicht vorbei, um eine Wolke des duftenden Harzes einzufangen, das von den Drüsen der Aster ausgesondert wird. „Es riecht unglaublich gut und bleibt eine ganze Weile haften“, so die 59-jährige Blumenmalerin. Schwinning lebt im Rhythmus ihres Gartens. Nutzt alles, was er ihr geben möchte. Etwa ein Fußbad: „Solange es nicht zu kalt ist, laufe ich morgens über die taubedeckte Wiese“, erzählt sie. Sehr wohltuend sei das, auch meditativ. Wie überhaupt die Beschäftigung mit dem Garten. Alles hat hier seinen Platz, seine Ordnung und doch ist nichts geradlinig. Obsessiv quadratisch abgesteckte Beete finden sich im Schwinningschen Bauerngarten nicht.

Dafür dürfen auch die Kräuter stehen bleiben, die Wiese kann länger wachsen. Letzteres schon allein wegen der Tiere. Neben einer Katze bevölkern nämlich auch Hühner und Ziegen das 3000 Quadratmeter große Grundstück, auf dem sich bei einem Besuch immer wieder eine neue Tür öffnet. Ein Scheunentor, eine neue Gartenpforte oder eine Stalltür. Einige – wie etwa die Hühnergehegetür – sollten allerdings nicht offen stehen gelassen werden. Sonst kann es passieren, dass die Hühner auf die Obstbäume fliegen, von denen sie freiwillig nicht unbedingt wieder runter kommen. „Wir standen schon stundenlang und haben die Tiere mit Stangen wieder heruntergehoben.“

Wenn die Ziege zum Nachbarn läuft

Auch die Ziegen seien schon ausgebrochen und standen sogar schon beim Nachbarn. Auch sie sind Teil des Gartenkreislaufes: sie mähen das Gras, ihr Mist düngt den Boden. Egal ob Salat, Beeren oder auch Obstbäume darauf wachsen. „Wir sind hier quasi das ganze Jahr beschäftigt“, so Schwinning. „Es ist harte Arbeit, aber auch Zuhause und einfach Leben.“

Ein Leben, das von Blumen durchzogen ist: Von leuchtendem Rittersporn, Chrysanthemen oder dem von Schwinning sehr geliebten Phlox. Obwohl sie ihre Bepflanzung von Jahr zu Jahr kaum ändert, habe der Garten trotzdem jedes Jahr eine andere Farbigkeit. „Letztes Jahr dominierte Magenta“, sagt sie. Dieses Jahr hingegen gebe es kristallenes, weißes Licht, das sich gleichmäßig verteile. Bis in die zarten Blüten der Herbstzeitlosen, welche die Malerin mit Erdgeistern vergleicht, weil sie so überraschend auftauchen. Die enge spirituelle Verbindung zu ihren Pflanzen spiegelt sich auch in ihren Kunstwerken wider, die schon zahlreich ausgestellt wurden.

Garteneindrücke auch eine Frage des Farbauges

„Ich transformiere, was ich sehe. Male nicht ab, sondern gebe das Wesen der Dinge wieder“, beschreibt sie. Die Farben jedoch, die seien von der Erde und auch von der Luft vorgegeben. Laut Schwinning habe außerdem jeder Mensch ein anderes Farbauge, wodurch die Garteneindrücke nicht nur je nach Tageszeit, sondern auch je nach Betrachter unterschiedlich ausfallen. Die zahlreichen Besucher, die zu den Gartentagen, Kochkursen oder Lesungen in den Kartzower Garten kommen, seien wohl immer von anderen Aspekten fasziniert.

Und selbst wer kein Pflanzenkenner ist, kann sich der Faszination dieses Ortes kaum entziehen. Dem Heimatlichen, dem Gemütlichen, ja dem Märchenhaften, das ihm anhaftet. Angefangen bei den violetten Fensterrahmen, die wie Augen über das Grundstück wachen und, so scheint es, einem beim Verlassen nachblicken.

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