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Schriftsteller Harald von Koenigswald: Preuße, kein Nazi

Der Schriftsteller Harald von Koenigswald ging in Bornim in die „innere Emigration“

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Es ist der 29. Juni 1945, als in der Wohnung der Familie von Koenigswald ein Polizist erscheint, um ehemalige NSDAP-Mitglieder und deren aktuelle Wohnräume aufzulisten. Aufgebracht und zornig schreibt Helene von Koenigswald in ihr Tagebuch: „Ich setzte ihn an die Luft. Er war wütend, denn seine Liste sollte ausgefüllt werden, und drohte, ich würde in den Keller der Kommandantur eingesperrt werden. Ich sauste () aufs Revier, wo sich ergab, dass ich wirklich auf der Liste der wegen Parteizugehörigkeit besonders zu Schikanierenden stand. Das muss ein besonders Niederträchtiger veranlasst haben – guten Glaubens kann keiner in Bornim uns für Nazis gehalten haben.“ Auf dem Revier wurde Helene von Koenigswald vor Zeugen von der Liste gestrichen.

Eigentlich ist ein großes Atemholen angesagt. Der Krieg ist erst vor wenigen Wochen zu Ende gegangen. Überall herrscht noch Chaos – aber es gibt auch den Versuch, ein normales Leben zu organisieren. Auch die Familie der Malerin Helene von Koenigswald, die in Bornim in der Potsdamer Straße 26 wohnt, bemüht sich darum. Ihr Mann, der Schriftsteller Harald von Koenigswald, befindet sich noch in der Kriegsgefangenschaft in Norwegen.

Er hoffte auf die Wiederkehr der Monarchie

Das Ehepaar gehört zu jenen Künstlern, die auf nationalsozialistische Propaganda und Terror mit „innerer Emigration“ geantwortet hatten. Da gesellten sie sich in die Reihe der Dichter Reinhold Schneider, Jochen Klepper, Rudolf Alexander Schröder oder Werner Bergengruen. 1933 begrüßte zwar auch Harald von Koenigswald nach den Krisen und Wirren der letzen Jahre der Weimarer Republik Hitler als „starken Mann“. Drei Jahre später, im Jahr 1936, erschien sein Buch „Potsdam. Das Zeugnis einer Idee“ mit Zeichnungen seiner Frau Helene. Über den 21. März 1933, den „Tag von Potsdam“, schreibt er darin, dass sich hier in feierlicher Verpflichtung „ein neuer politischer Wille vor dem ehrwürdigen Zeugen (gemeint war Reichspräsident Hindenburg, d. Red.) einer ruhmreichen Vergangenheit verneigte, um dann gemeinsam am Sarge Friedrichs des Großen den preußischen Tugenden zu huldigen. So ist Potsdam eingeflochten in den Lauf der großen politischen Geschichte“.

Der am 21. März 1906 in Karlsruhe Geborene und in Berlin Aufgewachsene hoffte auf die Wiederkehr der Monarchie, denn sie sah er als sinnvolle Staatsform für das Deutsche Reich an. In diesem Hoffen war von Koenigswald nicht allein. So manche seiner Zeitgenossen, die später aktive Hitler-Gegner wurden, dachten ähnlich. Auch sein Schwiegervater, der ehemalige Preußische Regierungspräsident Friedrich von Falkenhausen, der in der Potsdamer Parkstraße wohnte und 1946 auf dem Bornstedter Friedhof beigesetzt wurde, gehörte dazu. Von Falkenhausen wurde ein angesehener Dante-Übersetzer und schrieb eine Biografie über den italienischen Renaissance-Dichter. Auch heute noch wird die „Göttliche Komödie“ in der Übersetzung von Friedrich von Falkenhausen veröffentlicht.

Doch nach und nach distanzierte sich Harald von Koenigswald von den Nationalsozialisten und ihrer Ideologie. In seinem späteren Werkverzeichnis findet sich auch eine spannende Biografie über den schwedischen Geistlichen Birger Forell, der vielen verfolgten Menschen im nationalsozialistischen Deutschland zur Flucht verholfen hat. Aber seine Distanzierung war nicht allein eine theoretische: In seinem Bornimer Haus ließ er – in der oberen Wohnung – den jüdischen Rechtsanwalt Gustav Herzfeld wohnen, zu dem von Koenigswalds Familie ein gutes Verhältnis hatte. Retten konnte er Herzfeld jedoch nicht – 1942 wurde der Rechtsanwalt von den Nazis ins Konzentrationslager Theresienstadt verschleppt und dort ermordet.

Von Koenigswald wandte sich in vielen seiner Bücher und Essays verstärkt der preußischen Geschichte zu. Indem er sich damit beschäftigte, wollte er auf Distanz gehen zu den damaligen politischen Machthabern. Besonders engagierte er sich für die „Weißen Blätter“ einer monarchistischen Zeitschrift, Untertitel: „Monatsschrift für Geschichte, Tradition und Staat“, die von 1934 bis 1943 erschien. Von Koenigswald und andere prominente Autoren haben darin in oftmals verschlüsselten Texten das NS-Regime angeprangert – etwa indem sie immer wieder die Monarchie als einzig mögliche Staatsform für die Deutschen betonten. Herausgeber war Karl Ludwig von und zu Guttenberg, der die Zeitschrift zur Vernetzung der „Deutschen Opposition gegen Hitler“ benutzte. Noch kurz vor Kriegsende wurde Guttenberg in der Nacht vom 23. zum 24. April 1945 im Gefängnis in der Lehrter Straße in Berlin ermordet.

Nach der Kriegsgefangenschaft sah er Bornim nicht wieder

Harald und Helene von Koenigswald waren zudem eng befreundet mit Reinhold Schneider und Jochen Klepper und dessen jüdischer Frau Hanni. In seinem Tagebuch beschrieb Klepper einprägsam einen Besuch bei den Koenigswalds in Bornim, in dem ihm die Atmosphäre des Hauses und des Gartens fast wie eine arkadische Idylle erschien. 1939 notierte Jochen Klepper: „Dann gingen wir nach Bornim zu Koenigswalds. Friede, Friede über dem paradiesisch reich blühenden Garten, aus dem wir mit riesigen, bunten Sträußen heimkehrten in die gleiche Stille, den gleichen Frieden.“ Aber dieser Friede, von dem Klepper schrieb, ist ein trügerischer, einer, der nicht bleiben soll. Das musste er selbt schmerzlich erfahren. Harald von Koenigswald musste als Soldat in den verbrecherischen Krieg Hitlers ziehen. Doch er und seine Frau versprachen sich, Tagebuch zu schreiben, „damit aus unserem Zusammenleben nicht ein langer Zeitraum gänzlich heraus fiele“.

1947 kam Harald von Koenigswald zurück aus der Kriegsgefangenschaft. Aber Bornim sah er nicht wieder, sondern er ging in den Westen Deutschlands, nach Deidesheim , Münster-Eifel. Dorthin war im selben Jahr Helene von Koenigswald mit ihren drei Kindern übergesiedelt. Der Grund für die schnelle Übersiedlung war, dass die neuen Machthaber in Potsdam Harald von Koenigswald in ihre Fänge nehmen wollten, da er in der NS-Zeit ein unbelasteter Schriftsteller war. Doch der Schriftsteller wollte sich keiner Ideologie unterordnen. Harald von Koenigswald starb am 16. Oktober 1971, seine Frau Helene überlebte ihn noch 16 Jahre.

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