Von Heidi Jäger: Prinzipienreiter und Heißsporn
Doppelpremiere: Carsten Kochan inszeniert „Eine deutsche Revolution“ und spielt in „Dantons Tod“
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Er kennt das Wagnis: Um zum Besuchermagneten zu werden, müssen Titel oder Besetzung stimmen. Fehlen die großen Namen, hat es das Theater bei den Potsdamer Zuschauern nicht leicht. „Eine deutsche Revolution“ klinge sicher etwas dröge, weiß Carsten Kochan. Doch der Titel nach dem Roman „Georg Büchner. Eine deutsche Revolution“ von Kasimir Edschmid konnte nicht verändert werden. „Das hat etwas mit den Verlagsrechten zu tun.“ Er vertraue aber auf das Stück und die Besetzung und auf den Weg, den er als Regisseur bei den Proben mit den Darstellern eingeschlagen hat.
Erzählt wird in dem Schauspiel – das mit „Dantons Tod“ als Doppelprojekt am Samstag im Hans Otto Theater zur Premiere kommt – über die historischen Figuren Georg Büchner und Friedrich Ludwig Weidig. Der Zuschauer wird in die Zeit des Vormärz um 1835 zurückversetzt, in das kleine Fürstentum Hessen-Darmstadt. „Es ist nicht nur eine Geschichtsstunde, sondern eine spannende Geschichte um Revolution und Verrat, Verhör und Gewalt, und um den Tod“, sagt Carsten Kochan. Das Stück erzähle von Menschenrechtsverletzungen und von ausgehöhlten Gerichtsverfahren. Und wer dabei an Guantanamo oder an die DDR-Justiz denke, liege auch nicht falsch.
Doch Kochan will nicht mit dem Holzhammer aktualisieren: Er hält sich an das Stück und auch die Kostüme verbleiben in ihrer Zeit. Allerdings lasse die Bühne – die während der einstündigen Pause zwischen den beiden Premieren schnell verändert wird – viele Assoziationen zu.
Im Mittelpunkt des über 400-seitigen Buches „Georg Büchner. Eine deutsche Revolution“, das von Wolfgang Ploch zu einer gut 90-minütigen Theaterspielfassung komprimiert wurde, steht „Der Hessische Landbote“. Diese von Büchner 1834 verfasste Flugschrift unter dem Motto „Friede den Hütten. Krieg den Palästen“ wurde von dem Butzbacher Pfarrer Weidig mit organisiert. „Er war ein Mann, der die revolutionären Bestrebungen in dem klitzekleinen Hessen voran brachte. Nach demVorbild der Französischen Revolution wollte er Bauern und Bürger aufrühren, sich gegen die Obrigkeit und die sozialen Missstände zu erheben. Er schrieb genau auf, wofür der Staat sein Geld ausgibt und was dem Volk davon bleibt.“ Auch den Umgang mit Menschenrechten attackierten Büchner und Weidig: „Jeder Polizist konnte damals jeden Bürger ohne triftigen Grund verhaften. Der Landbote drängte auf eine Verfassung, auf die Mitbestimmung des Volkes.“
Der Oppositionelle Weidig sei in seiner konspirativen Arbeit sehr einflussreich gewesen und die Obrigkeit hatte immer ein strenges Auge auf ihn geworfen. „Er war ein Prinzipienreiter, der auf die Worte der Bibel setzte. Büchner, 20 Jahre jünger, ging eher mit der Brechstange vor. Scharfzüngig formulierte er seine Botschaften, und stand dabei immer im Zwiespalt zwischen seinen medizinischen Forschungen und den revolutionären Bestrebungen.“ Das Schreiben sei ihm dabei mehr passiert, als dass er es unbedingt wollte, so Kochan. Es entstanden so wortgewaltige Stücke wie „Dantons Tod“, das er 1835 als Reflex auf seine Zeit in Hessen schrieb, „Leonce und Lena“ und schließlich unvollendet „Woyzeck“.
Aber es gehe in dem Stück nicht nur um politische Fakten, betont der Regisseur, der kurz vor seiner Potsdamer Theaterzeit 2005 bereits in Essen „Woyzeck“ inszenierte. In „Eine deutsche Revolution“ werde auch die Liebesgeschichte des jungen Heißsporns Büchner zu seiner Minni erzählt, und die Beziehung Weidigs zu seiner Frau. Beide mussten den Tod ihrer Männer verschmerzen. Weidig, Mitte 40, landete nach dem Verrat aus eigenen Reihen im Gefängnis, wo er gefoltert und durch mysteriöse Umstände ums Leben kam. Büchner erlag nach der Flucht aus Hessen 1837 in Zürich seinem Typhus-Leiden. Er war gerade 23 Jahre alt.
Kochan ist sich sicher, dass dieses Stück, das erstmals an einem Theater aufgeführt wird, bestens für Schulklassen geeignet sei: „Es gibt auch einen Einblick, warum Büchner ,Dantons Tod’ geschrieben hat.“ Für dieses Drama sei es indes gut, sich vor dem Theaterbesuch etwas zu informieren. „Das Stück ist sehr komplex. Es legt den Fokus auf das Scheitern der Revolution und auf die Revolutionäre, die mit Leidenschaft versuchten, ihr Land zu retten, doch dabei tragisch endeten.“ Carsten Kochan ist in beide Stücke involviert, er hält nicht nur die Regiefäden in den Händen, sondern spielt in „Dantons Tod“ auch den Danton-Verbündeten Legendre. „Allerdings habe ich da nicht mehr als fünf, sechs Sätze zu sprechen.“
„Eine deutsche Revolution“ ist Kochans vorletzte Arbeit während seines Engagements am Potsdamer Hans Otto Theater. Mit „Türkisch Gold“ von Tina Müller am 25. April in der Reithalle A werde er sich als Regisseur verabschieden, bevor eine neue Leitung das HOT führen wird.
Für Carsten Kochan ist es völlig offen, wie es weiter gehe: „sicher freiberuflich“. Begonnen hat der 1973 in Essen geborene Künstler seine Potsdamer Theaterlaufbahn als Regieassistent. „Ich hatte nur eine abgebrochene Schauspielschule und eine ebenfalls vorzeitig beendete Theaterschule vorzuweisen. Über das immer wieder Machen, Machen, Machen baute ich mir eine künstlerische Vita auf: als Schauspieler und Regisseur.“ Er wollte mehr als nur den Probenplan organisieren und Kaffee holen, und Intendant Uwe Eric Laufenberg gab ihm die Chance, seine Kreativität auf die Bühne zu bringen. In Eigeninitiative habe er sich zudem den Theaterjugendclub „geschnappt“ und mit ihm Stücke wie „Cyrano“ einstudiert, mit dem er unter mehreren hundert Bewerbern für das Theatertreffen der Jugend ausgewählt wurde. Carsten Kochan weiß, dass seine jetzige Inszenierung mit darüber entscheiden könne, wie es für ihn beruflich weitergeht. „Es kann sein, dass das Theater, wie ich es mache, konventionell anmutet. Aber ich studiere das Stück so ein, wie es für mich und die Schauspieler der beste Weg ist, und nicht, um daraus ein Event zu schmieden.“ Er vertraue auf die Sogkraft menschlicher Schicksale vor dem Hintergrund ihrer Zeit. Für ihn ist „Eine deutsche Revolution“ ein zu Unrecht vergessenes Werk.
Premiere am 7. März: „Eine deutsche Revolution“ um 18 Uhr, „Dantons Tod“ um 21 Uhr, im neuen Theater.
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