FREITAGS: Priorität

Als vor wenigen Jahren eine Wandgestaltung von Karl Raetsch hinter Wärmedämmplatten verschwand, ging ein Raunen durch Potsdam. Das Haus an der Breiten Straße gehörte nicht der Stadt und die wurde erst hellhörig, als das Kind bereits in den Brunnen gefallen war. Inzwischen gibt man sich weitsichtiger und will solcher Art Bilderstürmerei vorgreifen. Es wurde ein Beirat für Kunst im öffentlichen Raum gegründet, in dem Architekten, Kunstexperten, Denkmalpfleger und Mitglieder der AG Gegenwartskunst agieren. Sie erarbeite eine Prioritätenliste mit erhaltenswerten Kunstwerken. Die muss allerdings noch den Kulturausschuss passieren. Klar ist aber, dass das „Flugschiff“ von Peter Rohn und Christian Roehl mit auf dieser noch geheim gehaltenen Liste steht. Dennoch ist Achtsamkeit geboten, denn nach dem Abriss des Haus’ des Reisens im Mai könnte das visionäre Gefährt bald im luftleeren Raum hängen. Es soll erst einmal ins Depot einfahren, wenn sich nicht rechtzeitig eine Ersatzwand findet. Am besten, man geht mit den Künstlern gemeinsam auf „Reisen“, um einen günstigen Ausweichstandort zu finden. Und zwar bald! Denn taucht das kunstvoll geschmiedete Werk erst einmal ins Dunkel, wie von der Stadt beabsichtigt, ist es auch schnell aus dem Bewusstsein entschwunden. „Vom Depot darf keine Rede sein“, hieß es gestern in einer Presseerklärung von Anita Tack, Abgeordnete der Linken. Gerade beim Umbau der Stadtmitte und dem Rückbau von Häusern muss mit Kunstwerken umsichtig verfahren werden, auch wenn die Plätze sich verändern oder ganz verschwinden, für die sie einst geschaffen wurden. Sie selbst sind deshalb noch lange nicht überflüssig. Gerade weil Bildende Kunst im öffentlichen Raum von Potsdam eher spärlich gesät ist und sich nach der Wende der Ertrag noch dürftiger zeigt.