Kultur: Problemfälle: Optik und Ton
Der Vorabend zur Schlössernacht präsentierte Konzert mit renommiertem Orchester aus London
Stand:
Rund 5000 Besucher kamen auch in diesem Jahr zum Vorabend der Schlössernacht. Zum dritten Mal fand zwischen Neuem Palais und den Communs ein Konzert mit einem erfolgreichen europäischen Orchester statt. Diesmal wurde die Londoner Academy of St. Martin in the Fields eingeladen. Für wahrlich nicht wenig Eintrittsgeld konnte man einen Klangkörper erleben, der 1958 von dem Violinisten Neville Marriner gegründet wurde. Marriner, inzwischen von der englischen Königin geadelt, vertauschte die Geige mit dem Taktstock. Er führte das Orchester zu einem der besten Großbritanniens und darüber hinaus.
Am Donnerstagabend gastierte das Orchester noch beim Rheingau-Musikfestival, am Freitag war es schon in Potsdam. Die Musiker, wenn sie nicht in ihre Noten schauen mussten, hatten eine großartige Aussicht auf das festlich angestrahlte Neue Palais, die Zuhörer mussten mit den wegen Restaurierungsarbeiten völlig verdeckten Kolonnaden vorlieb nehmen. Man fragte sich, warum die Veranstalter die Bühne nicht Richtung Neues Palais aufstellten. Dann wäre der Abend für die Besucher optisch erlebnisreicher gewesen.
Die Musikfestspiele Potsdam Sanssouci schaffen es jedenfalls, einen atmosphärisch dichteren Abend zu gestalten, weil es eben den Blick zum repräsentativen Schloss Friedrichs des Großen während des Konzertes gab.
Akustisch sind Open-Air-Veranstaltungen selten vom Feinsten. Da kann das Orchester noch so fabelhaft musizieren, doch wenn die Tonübertragung zu wünschen übrig lässt, dann fährt so manche Freude für die Ohren dahin. Die Leistungen von Musikern sind somit leider nicht objektiv zu beurteilen.
Auch der renommierten Academy of St. Martin in the Fields wurde kein erfreulicher Sound per Lautsprecher geliefert. Man hatte den Eindruck, der Klangkörper spiele in einem gefliesten Bad. Um ein wirkliches hohes Niveau zu erreichen, sollten sich die Schlössernacht-Veranstalter endlich um eine befriedigende Tonübertragung bemühen, die auch hohen Ansprüchen genügt. Das Weltklasseorchester aus London hat es jedenfalls verdient. Die Tschechische Philharmonie, die im nächsten Jahr zum Vorabend der Schlössernacht nach Potsdam kommen soll, nicht minder.
Populäre Werke hatte die Academy of St. Martin in the Fields und ihr Dirigent Sir Neville Marriner im Notengepäck. Zu Beginn wurde Gioacchino Rossinis Ouvertüre zur Oper „Die Italienerin in Algier“ musiziert, ein Stück, das virtuose Bravour mit musikalischem Effekt verbindet. Danach kam eine junge Lettin auf die Bühne: Baiba Skride. Die international hoch angesehene Violinistin spielte das Violinkonzert in D-Dur op. 77 von Johannes Brahms, von dem man sagt, es sei das schwerste und erfüllteste Violinkonzert der gesamten klassisch-romantischen Literatur. Es ist eine gewaltige Herausforderung an jeden Geiger. Baiba Skride musizierte es bereits mit nobler und souveräner Gelassenheit. Man hätte sich aber beim ungarisch gewürzten Finale ein wenig mehr dramatische Kraft gewünscht. Aber wie bereits gesagt, eine objektive Rezension ließ das Konzert nicht zu.
Mit Sicherheit hat das Orchester aus London auch die Sinfonie Nr.8 op. 88 von Antonin Dvorak mit ihrem berauschend schwärmerischen musikalischen Fazit seiner böhmischen Existenz exzellent interpretiert. Denn Marriner dirigierte wohl nicht nur die „schönen Stellen“. Er weiß und lässt fühlen: auf den Impuls kommt es an. Die Themen müssen verschieden beleuchtet, dramatisch befeuert und nicht sentimentalisiert werden.
Die Zuhörer reagierten mit viel Applaus schon nach jedem Satz. Da merkte man, dass die meisten keine regelmäßigen Konzertbesucher sind, aber Freude an großer Musik haben. Die Gäste aus London dankten mit einer Zugabe, nämlich mit Mozarts Ouvertüre zur Oper „Die Hochzeit des Figaro“. Gleich danach schloss sich ein prachtvolles Feuerwerk an, das mit Musik vom Band untermalt wurde. Aber die war dann bei dem Getöse nicht mehr zu hören.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: