Kultur: Profillose Profile

Dieses Buch dürfte es schwer haben, über den Ladentisch zu gehen. Schon äußerlich kommt es bieder wie ein statistisches Jahrbuch daher: in dunkelrotem Leder und der altertümlich-silbernen Aufschrift „Profile aus der Stadt Potsdam und Umgebung“ mit dem Adler als Stadt-Wappen.

Schlägt man diesen schweren Wälzer auf, kommt die nächste Enttäuschung: Das Layout flattert dem Betrachter unruhig um die Ohren, die Fotos sind teils ein Fiasko und auch die Kursivschrift ist kaum zumutbar. Dabei machen die Persönlichkeiten, die in diesem Werk von Sigrid Jo Gruner vereint sind, durchaus neugierig. Kaum ein Gesicht aus Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft, Sport oder Medien, das man nicht kennt. Doch fängt man an zu lesen, sträuben sich zum Teil die Nackenhaare. Was wie ein Porträt daher kommt, offenbart sich mitunter als aufgeblasener Werbetext. Man spürt nicht die Menschen und schon gar nicht die kritische Auseinandersetzung mit ihnen. Alles steht unter der Überschrift: Mut, Initiativgeist und Optimismus. Und genauso abgedroschen wie diese Schlagwörter sind auch viele Beiträge. Pathos statt Nähe. Was fehlt, ist bloß noch die rote Mai-Nelke. Es gibt auch gute Texte wie den über „Potsdam von oben“. Dort wurde von der Gastautorin „genau hingeguckt“, so wie es Sigrid Jo Gruner in ihrem Vorwort volltönig für sich postuliert. Leider büßen die gelungenen Artikel in dem Gesamtkontext an Wirkung ein. „Aber was sind schon Worte gegen das persönliche Erleben“, schrieb Matthias Platzeck im Vorwort. Insofern kann man das Buch auch getrost zur Seite legen und sich mit eigenen Augen ein wirkliches Bild von der Stadt und ihren Menschen machen. Potsdam ist wahrlich lebendiger als das, was zwischen diesen Leder-Deckeln klemmt und für das man auch noch 98 Euro hinblättern soll. Wie gesagt: Das Buch (Verlag Elmar Zinke) dürfte es schwer haben. Heidi Jäger