Andreas Ottensamer mit der Kammerakademie: Puszta und Perlmutt in der Philharmonie
Dieser Abend ist eine Feier der Schönheit und des Wohlklangs. Andreas Ottensamer, der junge Soloklarinettist der Berliner Philharmoniker, tritt mit der Kammerakademie Potsdam am Mittwochabend in der Berliner Philharmonie auf – und wiederholt damit sein Konzert von Ende Dezember im Potsdamer Nikolaisaal.
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Dieser Abend ist eine Feier der Schönheit und des Wohlklangs. Andreas Ottensamer, der junge Soloklarinettist der Berliner Philharmoniker, tritt mit der Kammerakademie Potsdam am Mittwochabend in der Berliner Philharmonie auf – und wiederholt damit sein Konzert von Ende Dezember im Potsdamer Nikolaisaal. Und wenn er hochvirtuose Werke von Domenico Cimarosa (das umgearbeitete C-Moll-Oboenkonzert) sowie das „Darmstädter Konzert“ von Carl Stamitz spielt, dann weiß man gar nicht, was man im Kammermusiksaal am meisten bewundern soll: seine stupende Technik, die warme, runde Makellosigkeit des Tons, den Perlmuttglanz seines Pianos, die frühlingssonnenhelle Höhe oder die schier atemberaubende Agilität seiner Läufe? Unglaublich, wie Ottensamer durch die Oktaven gleitet, ohne jeden Registerbruch, als wäre an seinem Instrument keine Klappenmechanik zu bedienen, als reiche es, einfach nur den natürlichen Atem ins Rohr zu schicken. Weiter, freier, perfekter als die menschliche Stimme schwingt sich Andreas Ottensamers Klarinette auf, und das Publikum schwelgt in harmonischen Elfenbeinturm-Fantasien, fühlt sich wie in Arkadien, auf einer klassischen Lustreise nach Kythera.
Auch als Dirigent ist der 26-jährige Spross einer Wiener Holzbläserdynastie angekündigt – die Gesten, die er in Richtung der Mitmusiker schickt, wenn er gerade kein Solo hat, wirken allerdings noch arg schüchtern, malen das Geschehen eher nach, als es anzuleiten. Das macht aber nichts, denn die Kammerakademie Potsdam ist ein Ensemble, bei dem keiner auf Anweisungen wartet, sondern bei dem stets alle mitdenken. Ein lebendiges, rhetorisch raffiniertes Musizieren ist also zu erleben, bei dem es auch optisch bewegt zugeht, weil die stehend spielenden Instrumentalisten die atmosphärischen Entwicklungen körperlich mitvollziehen.
Das passt perfekt zur entfesselten Folklore des zweiten Teils. Ungarische Tänze von Johannes Brahms und Leo Weiner dominieren hier, in mitreißenden Arrangements von Ottensamers philharmonischem Cellisten-Kollegen Stephan Koncz. Mit der Klarinette an der Spitze legen die Potsdamer feurig los, spannen ein tolles akustisches Puszta-Panorama auf, tändeln kokett, streuen lustvoll Verzögerungen ein, wirbeln kollektiv herum, entdecken Klezmer-Anklänge und bäurische Polterpassagen. Der Saal tobt – und bekommt, zur Beruhigung, zwei langsame Brahms-Walzer als Zugabe: ein „Träum süß“-Finale mit seligem Seufzen im Dreiertakt, schmeichelnden Kantilenen und einem Sahnehäubchen Schmäh. So schön! Frederik Hanssen
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