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Kultur: Raffinierte musikalische Verführer Das Sinfoniekonzert der Kammerakademie
Bei Sinfoniekonzerten kommen Instrumente zur Geltung, die schon vor 200 bis 300 Jahren entwickelt wurden. So gehört die Oboe zu den Charakterinstrumenten der Barockmusik und das Violoncello eroberte erst in Klassik und mehr noch in der Romantik einen bestimmenden Platz im Konzertwesen.
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Bei Sinfoniekonzerten kommen Instrumente zur Geltung, die schon vor 200 bis 300 Jahren entwickelt wurden. So gehört die Oboe zu den Charakterinstrumenten der Barockmusik und das Violoncello eroberte erst in Klassik und mehr noch in der Romantik einen bestimmenden Platz im Konzertwesen. Eine seltene Gelegenheit zum Hören dieser beiden Instrumente bot die Kammerakademie Potsdam im letzten Sinfoniekonzert der Saison.
Auch sonst mangelte es nicht an Attraktivität. Mit Albrecht Mayer an der Oboe und als Dirigenten sowie mit dem jungen Cellisten Gabriel Schwabe ließen sich hervorragende Musiker hören, langjähriges Mitglied der Berliner Philharmoniker und erfolgreicher Solist der eine, ein junges hochbegabtes Ausnahmetalent der andere. Das Programm verzichtete auf Modernes und präsentierte durchweg klassische Meisterstücke von Joseph Haydn und Felix Mendelssohn. Im Verbund mit der überaus gut aufgelegten Musizierlaune des Orchesters ergab das einen erstklassigen Wohlfühlabend für Freunde der klassischen Musik.
Nach mehreren gemeinsamen Konzerten ist Albrecht Mayer zu einem Freund der Kammerakademie geworden. Lob und Preis für sein „absolutes Lieblingsorchester“ bringt den gebürtigen Bamberger an diesem Abend sogar zu dem Bekenntnis: „Ich bin ein Potsdamer“. Auf seiner Oboe, einem Neubau aus tiefschwarzem Grenadillholz mit goldenen Klappen, spielt der hoch gewachsene Mann das Oboen-Konzert in C-Dur, das einst Joseph Haydn zugeschrieben wurde. Die drei Sätze mit der traditionellen Folge Allegro, Andante, Rondo, fast durchgehend in Dur-Tonalität, stellen heiter-virtuose Geläufigkeit aus. Mayer entledigt sich dieser Aufgabe mit selbstverständlicher Grandezza. Sie bieten aber kaum Gelegenheit, den bei der Oboe so seltenen, sinnlich-biegsamen, weichen Ton zu zeigen, für den Mayer weithin hochgeschätzt wird. Der kommt erst so richtig bei der Zugabe „A Chloris“ zum Vorschein. Mit Bettina Lange von der Kammerakademie ergibt die „Ode an die Liebe“ ein zärtliches Zwiegespräch von Oboe und Flöte.
Nur selten hinterlassen Nachwuchsmusiker einen bleibenden Eindruck. Doch der Cellist Gabriel Schwabe gehört nicht zu dieser Spezies. Schon seine ersten Töne aus Haydns offiziell beglaubigtem D- Dur-Konzert zeigen, dass hier ein junger Mann mit vollem Ernst, großer Hingabe und Eigensinn am Werk ist. Dass er auswendig spielt und keine technischen Schwierigkeiten zu kennen scheint, ist die Geringste seiner musikalischen Qualitäten. Sein Ton senkt sich ins Herz, er spielt voll, rein, scheut nicht vor ausladendem Vibrato zurück. Das allein ist schon ungewöhnlich genug nach so langer, weit verbreiteter Abstinenz von diesem Mittel für Affekt und Pathos. Im Rondo spielt der junge Musiker mit deutsch-spanischen Eltern manche Passagen so aufrührerisch, aufgeraut, kratzig und düster, dass man merkt, hier geht es nicht um oberflächlichen Glanz, sondern tief hinein in die Abgründe einer empfindsamen Seele. Haydns ohnehin fantasiereichem, improvisatorischem Konzert stehen solch romantisch zerrissene Züge ausnehmend gut. Mit der Zugabe knüpft Gabriel Schwabe an ein musikalisch und ideell äußerst hohes Vorbild an. Mit der alten katalanischen Weise „El Cant del Ocells“ beschloss einst kein Geringerer als Pablo Casals stets seine Konzerte.
Im zweiten Teil erklingt mit der Sinfonie Nr. 3 von Felix Mendelssohn Bartholdy ein Meilenstein der Spätklassik mit romantischen Zügen. Mit dem Taktstock in der Hand feuert Mayer die Kammerakademie zu temperamentvollen, vielschichtigen Klangbildern an. Dass er auf seine sanft-bestimmte, emphatische Art ein raffinierter musikalischer Verführer auch ohne Oboe ist, zeigt sich hier deutlich. Im tänzerischen Vivace leuchten schöne Bläser-Passagen auf, mit edlem Ernst, erhebend erklingt das Adagio, das einen stürmischen Mittelteil umrahmt. Nicht nur die Musiker erliegen dem freizügigen Charme seiner musikalischen Vorstellungen, auch die Zuhörer folgen dieser stimmungs- und kontrastreichen Interpretation mit großer Zustimmung. Begeisterter Beifall für einen großartigen Konzertabend. Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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