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Kultur: Raritäten

Zweite Ausgabe der DVD „Potsdam wiederentdeckt“ mit Filmschätzen von 1918 bis 1986 / Verschollen geglaubter Film in falsch beschrifteter Rolle gefunden

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Er galt als verschollen, der 1933 gedrehte Film „Potsdam – Vom Aufbau einer Stadt“. Plötzlich tauchte er in einer falsch beschrifteten Filmrolle wieder auf, gesichtet von Filmhistoriker Hans-Gunter Voigt, Kopf und Seele beim Ausbuddeln von Raritäten. Trotz des Kommentators, der zur Marschmusik mit preußisch-nationalistischem Pathos durch die Stadt führt, gibt der 13-minütige Streifen einen sinnlichen Eindruck vom Leben auf den Straßen mit flanierenden Menschen und Pferdekutschen, die an sparsamen Bauten hinter prächtigen Fassaden vorbeirollen. Zu sehen sind Wahrzeichen, die längst nicht mehr existieren, wie die Heilig-Geist-Kirche, die Gloriette am Bassinplatz oder die Garnisonkirche. Dieses Hohelied auf die Preußenkönige ist einer von sieben historischen Potsdam-Filmen, die auf der gestern vorgestellten DVD „Potsdam wiederentdeckt – Historische Filmschätze von 1918-1986“ zu finden ist.

Der überraschende Erfolg der ersten DVD „Potsdam wiederentdeckt“ vom Sommer 2008, von der bereits 10 000 Exemplare verkauft wurden, ermutigte das Filmmuseum gemeinsam mit dem Bundesfilmarchiv und der Medien Bildungsgesellschaft Babelsberg zum „Nachschlag“. Der hat natürlich auch zu „100 Jahre Film in Babelsberg“ einiges vorzuweisen: ein Special aus sechs Filmen, das einen Bogen von 1924 bis 2007 schlägt und einen eindrucksvollen Blick hinter die Studiozäune im Wandel von fünf politischen Systemen wirft. Gigantisch sind zum Beispiel die Kulissen, die für Fritz Langs Filmepos „Die Nibelungen“ auf dem Freigelände hochgezogen wurden und die in dem Stummfilm über das Decla-Bioscop-Gelände Babelsberg von 1924 zu sehen sind. Nunmehr begleitet von einem erhellenden Audiokommentar des Filmwissenschaftlers Guido Altendorf.

In dem Fernsehbeitrag „Defa-Abspann“ von 1991, der kritisch nach der Zukunft der Babelsberger Studios fragt, ist der junge Andreas Dresen zu sehen, der Interviews mit den Regisseuren Heiner Carow und Roland Gräf in den leeren Straßen des Filmgeländes führt. Studio-Verantwortliche wollten Dresens Fragen damals nicht beantworten.

Zu Beginn der mehr als 180-minütigen Zeitschleife geht es hoch hinaus, wird der Zuschauer mit an Bord des Marineluftschiffes L35 genommen, ein riesiges Gefährt, das 1916 in den Dienst gestellt und 1918 bereits wieder abgerüstet wurde. Doch ihm sind die ältesten filmischen Luftaufnahmen Potsdams zu verdanken. Es ist amüsant, von oben zu sehen, wie beim Start dieses schwebenden Giganten, Menschen, klein wie Ameisen, herbeirennen, um dem Spektakel beizuwohnen.

Zu den filmischen Raritäten gehört auch ein Lehrfilm von 1968, der vom VEB Autobahnbaukombinat Berlin gedreht wurde und die Sprengung der Garnisonkirche dokumentiert. In extremer Zeitlupe wird zelebriert, wie ein historisches Bauwerk verschwindet.

Wie Claire Müller von der Medien Bildungsgesellschaft als Produzent gestern sagte, gab es einige Holpersteine bis zur Veröffentlichung dieser zweiten DVD, die in 5000 Exemplaren erschienen ist. „Von der ersten Sichtung bis heute sind acht Monate vergangen. Es mussten umfangreiche Rechte geklärt werden und es gab kaum Sponsoren. Auch die Stadt hat sich diesmal nicht mehr finanziell beteiligt.“ Drei Stummfilme wurden für die DVD vertont, mit Musik von Helmut Schulte an der Welte-Kinoorgel. Und es gibt ein sehr informatives Booklet. Heidi Jäger

Zum DVD-Start zeigt das Filmmuseum ab Sonntag, 21. August, jeweils um 10.30 Uhr eine Reihe von Filmmatineen mit einer Auswahl der einzigartigen Filmzeugnisse auf großer Kinoleinwand. Die DVD ist ab 19. August für 17,90 Euro u. a. im Filmmuseum und im PNN-Shop Karstadt erhältlich.

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