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Kultur: Rätsel über Rätsel

Witold Gombrowicz“ „Kosmos“ zur Eröffnung des neuen T-Werk-Hauses

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Schweigsam und rätselhaft ist Lena – Tochter eines ehemaligen Bankdirektors, dessen Arroganz und Oberflächlichkeit nicht zu übersehen und zu überhören ist, und dessen geschäftig-eifriger Frau. Was ist mit Lena? Ist sie krank, wird sie von den Eltern abgeschottet? Man erfährt nicht mehr, als dass sie gern singt. Das ist wohl ihr Kosmos, in dem sie lebt. Für die beiden Freunde, die die Sommerfrische auf dem Land genießen wollen, sich beim Direktor a.D. einquartieren, bleibt die Tochter ein Rätsel. Nicht anders ergeht es dem Zuschauer, der die Eröffnungspremiere des neuen Hauses des T-Werks in der Schiffbauergasse am Donnerstag besucht.

Bevor die Dramatisierung des Romans „Kosmos“ des polnischen Schriftstellers Witold Gombrowicz (1904-1969) über die Bühne geht, gibt es Gratulationen für das neue Haus, das der freien Theaterszene, die im T-Werk vereint ist, nun zur Verfügung steht. Ministerin Johanna Wanka und Oberbürgermeister Jann Jakobs danken den Gewerken und Förderern für ihr Engagement, den Theaterleuten wünschen sie erfolgreiche Aufführungen, die noch mehr ins Land ausstrahlen sollten. Wurden in den Reden keine Rätsel aufgegeben, gab es auf der Bühne reichlich davon, natürlich auch gewollt. Ein Geheimnis: Warum greifen Theater heute immer mehr auf Prosa zurück? Gibt es nicht genügend gute Theaterstücke?

Das als Musiktheater angekündigte Stück „Kosmos“ wird diesem Genre nicht gerecht. Zwar erklingt in ihm mittelalterliche Musik, großartig gesungen und gespielt vom Ensemble Alta musica (Leitung: Rainer Böhm), doch sie wirkt als Beigabe, als Unterstützung für dramatisch-atmosphärische Gestaltung. Im T-Werk wirkt „Kosmos“ eher als das, was es ist, ein Stück rätselhafter Prosa mit schauspielerischen Einlagen.

Im Haus des Bankdirektors, das von Heide Schollähn entworfen wurde, passieren unheimliche Dinge. Da entdeckt man einen erhängten Spatz, eine erhängte Katze. Und auch der eine Sommerfrischler, mit Namen Fuchs, der inzwischen Ehemann von Lena geworden ist, wird erhängt aufgefunden. Wer war oder waren die Täter? Das Ehepaar, die Tochter, der Freund? Die Geschichte lässt die Frage offen.

Jens-Uwe Sprengel, der für die Regie verantwortlich zeichnet, versucht Spannung zu erzeugen, durch Musik, Beleuchtungseffekte und Innehalten. Humorvolles und Groteskes, die in Gombrowicz“ Prosa und Stücken so wichtig sind, bleiben aber auf der Strecke. Dies liegt wohl vor allem an dem ohne Augenzwinkern daher kommenden Erzählstil von Dominik Stein. Er, der ebenfalls als Gast in dem Hause wohnt, agiert hier nur als Beobachter, als einer, der sich vom Geschehen fast distanziert. Oder ist er in die Abgründigkeiten mit verwickelt? Denn es wirkt schon seltsam, dass er nach dem „Mord“ an seinen Freund, der von Timo Sturm gespielt wird, sich sofort aufmacht, um Hühnerfrikassee zu essen.

Obwohl oftmals Klischees bedient werden, die in der schauspielerischen Gestaltung mit wenigen stereotypen Gesten auskommen, fanden Franka Schwuchow und Marko Wittorf hin und wieder als Direktorenehepaar zu darstellerischen Regungen, die keinen Zweifel an deren seltsam scheinenden Charakteren zuließen. Und die Tochter (Juliane Sprengel)? Ist sie krank, wird sie gedemütigt? Keine Auskunft. Ein rätselhafter Abend. Er ist theatralisch wohl geordnet, doch noch rätselhafter als die literarische Vorlage.

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