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Kultur: Raum Klang Erkundungen

Spitze Schreie, Schnalzen und Schmatzen, Trillerkaskaden, Glissandi und kurze Melodiebögen, Sprechgesang und geräuschhafte Zutaten entströmen oder entringen sich den Mündern von drei Sopranistinnen, deren exzellentes technisches Können und unterschiedlichstes Timbre sich auf gar wundersame Weise zu einem nicht für möglich gehaltenen Einklang verzahnen. „blau rot soft“ nennt sich die eingangs erklingende Kollektivkomposition von Susanne Stelzenbach, Ralf Hoyer und Max Keller, die beim Auftritt der Stimmwunderinnen Katia Guedes (Brasilien/Berlin), Monika Teepe (Nürnberg) und Kornelia Bruggmann (Schweiz) im überschaubar besetzten Theatersaal des Alten Rathauses im Rahmen einer Städtetour nun in Potsdam ihre erneute Uraufführung erlebt.

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Spitze Schreie, Schnalzen und Schmatzen, Trillerkaskaden, Glissandi und kurze Melodiebögen, Sprechgesang und geräuschhafte Zutaten entströmen oder entringen sich den Mündern von drei Sopranistinnen, deren exzellentes technisches Können und unterschiedlichstes Timbre sich auf gar wundersame Weise zu einem nicht für möglich gehaltenen Einklang verzahnen. „blau rot soft“ nennt sich die eingangs erklingende Kollektivkomposition von Susanne Stelzenbach, Ralf Hoyer und Max Keller, die beim Auftritt der Stimmwunderinnen Katia Guedes (Brasilien/Berlin), Monika Teepe (Nürnberg) und Kornelia Bruggmann (Schweiz) im überschaubar besetzten Theatersaal des Alten Rathauses im Rahmen einer Städtetour nun in Potsdam ihre erneute Uraufführung erlebt.

„Voice summit“ für drei Soprane und Elektronik nennt sich die Kooperation zwischen der Konzertreihe „musica aperta“ Winterthur und dem „ensemble pianoplus“ Berlin, bei denen neben Klassikern der Moderne wie John Cage („Song Books“) und Cathy Berberian („Stripsody“), die längst Kultstatus erreicht haben, Stücke von deutschen und schweizerischen Neutönern aufgeführt werden. Auch wenn die Materialdebatte um den Einsatz von Geräuschen, Intervallakrobatik, Gurgeln, Stöhnen und atemübender Zwerchfellgymnastik längst ein alter Hut ist, fasziniert der Facettenreichtum, mit dem noch heute unterschiedlichste Klangräume erkundet werden.

Als Medium dient dabei die menschliche Stimme, das nach wie vor vollkommenste Instrument der Seele. Höre und staune: es funktioniert mit dem Zeitgenössischen – wenn es trotz ton- und geräuschsetzerischer Wiederholungen – etwas zu sagen hat. Faszinierend, was sich da im Spannungsfeld von höchst Artifiziellem und Geerdetsein, zwischen höhen- und Tiefenrausch vollzieht. Oder einem innerlich etwas zum Schwingen bringt. Stelzenbachs „vis-à-vis“ für Sopran und Zuspiel (mit Wasserplätschereien, Wobblereffekten, Pfeifen) gehört genauso dazu wie die Collage von Ellen Hünigen „Von des Cortez Leuten“ auf einen Brechttext, deren mörderische Anforderungen Katia Guedes bravourös meistert.

Konsonantenfetzen, Vokalgleiten, Silbenstakkati und drastische Erstickungshustereien setzt Monika Teepe für ihre naturalistische Solo-„Paraphrase über Infinito Nero“ ein, um dem Zuhörer das letzte Todesröcheln des römischen Kaisers Nero nahe zu bringen. Sehr beklemmend. Hyperventilatorische Artikulationsgeräusche verlangt Werner Heiders „Katalog“ für eine Stimme. Solcherart präpariert, stürzt sich die Stimmakrobatin dann in das Berberiansche „Stripsody“-Abenteuer, einem Klang-„Comic für Blinde“, so einst die Autorin. Wortfetzen, Tierstimmen- und Stimmungsimitationen illustrieren auf höchst vergnügliche Weise Geschichten aus dem real existierenden Leben, das Monika Teepe kehlkopfvirtuos und witzig vorführt.

Auch weitere Notationen wie die „Viadukt-Musik“ (eine Metapher auf kulturelle Brückenschläge) von Fabian Neuhaus oder die von Kornelia Bruggmann vorgetragenen, sehr klangfarbeneffektvollen Stücke über Erinnern und Vergessen verlangen nach genauer Einhaltung von Tonhöhe und Intervallabständen. Oft greifen die Damen zwecks Erfolgsgarantie zu ihren Stimmgabeln. Mit einer collagierten Cage-Köstlichkeit per tre endet das Marathon: „Ich bin hier und es gibt nichts zu sagen. Und ich sage es!“ Der Beifall will kaum enden.Peter Buske

Peter Buske

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